12. März 2025

Was passiert bei einer Insolvenz des Arbeitgebers mit der betrieblichen Altersversorgung?

Laut Wirtschaftsauskunft bei Creditreform ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im vergangenen Jahr auf einen Höchststand von 22.400 gestiegen. Das bedeutet im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 24,3 Prozent.


Was bedeutet Insolvenz?
In der Regel bedeutet eine Insolvenz des Arbeitgebers, dass er überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Ist genügend Insolvenzmasse vorhanden und besteht ein Insolvenzgrund, so erlässt das Gericht einen Beschluss, mit dem das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt wird. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Insolvenzmasse zu verwalten und diese unter den Gläubigern aufzuteilen. Der Insolvenzverwalter tritt dann an die Stelle des Arbeitgebers.

Was bedeutet die Insolvenz für die betriebliche Altersversorgung (bAV) des Arbeitnehmers?
Die Insolvenzsicherung der betrieblichen Versorgungszusagen hat in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert und ist für die meisten Fälle im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geregelt. Andere Fälle bedürfen nicht dieses gesetzlichen Insolvenzschutzes, da sie anderweitig gesichert sind. Der Insolvenzschutz für betriebliche Versorgungszusagen ist abhängig vom Durchführungsweg, über den die bAV im Unternehmen beziehungsweise die jeweilige Versorgungszusage durchgeführt wird.

Was geschieht mit der Direktversicherungszusage?
Die Direktversicherung ist, als ein möglicher Durchführungsweg, in Kombination mit der Entgeltumwandlung und dem gesetzlich verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss die am meisten verbreitete Zusageform. Daher soll sie hier vornehmlich betrachtet werden. Eine Direktversicherung liegt vor, wenn für die bAV eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Die Bezugsberechtigung kann durch den Arbeitgeber unterschiedlich ausgestaltet werden. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen dem unwiderruflichen Bezugsrecht und dem eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht.

Unwiderrufliches Bezugsrecht
Bei der Entgeltumwandlung über eine Direktversicherung ist nach dem Gesetz (§ 1b Abs. 5 BetrAVG) dem Arbeitnehmer mit Beginn der Entgeltumwandlung ein unwiderrufliches Bezugsrecht im Versicherungsvertrag einzuräumen. Dieses Bezugsrecht begründet das Recht, nach Eintritt des Versicherungsfalles einen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer geltend machen zu können.

Wenn nun über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, steht dem unwiderruflichen Bezugsberechtigten (Arbeitnehmer beziehungsweise seine engen Hinterbliebenen) ein sogenanntes Aussonderungsrecht an der Direktversicherung zu. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter die Aussonderungsberechtigten vorweg zu befriedigen hat, da ihre Ansprüche nicht zur Insolvenzmasse gehören und deshalb nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen. Der Insolvenzverwalter kann also den Direktversicherungsvertrag nicht kündigen und die Versicherungssumme nicht in die Insolvenzmasse einziehen.

In der Praxis sieht das Aussonderungsrecht so aus, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer mit Zustimmung des Insolvenzverwalters in den Versicherungsvertrag eintreten kann. Der Insolvenzverwalter muss die Freigabe erteilen. Falls der Arbeitnehmer schon einen neuen Arbeitgeber gefunden hat, kann die Direktversicherung auch auf den neuen Arbeitgeber übertragen werden. Eine Direktversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht ist also die sicherste Variante für den Arbeitnehmer. Eines gesetzlichen Insolvenzschutzes nach dem Betriebsrentengesetz bedarf es hier daher nicht.

Eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht
Dagegen ist bei einem eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht im Insolvenzfall zu prüfen, ob die im Versicherungsvertrag vereinbarten Voraussetzungen für ein unwiderrufliches Bezugsrecht bereits vorliegen oder nicht. Diese Art der Bezugsberechtigung wird in der Regel bei rein arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusagen vereinbart. Der Arbeitgeber macht die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts von bestimmten Bedingungen – „Einschränkungen“ – abhängig. Hierbei handelt es sich insbesondere um Voraussetzungen zur Unverfallbarkeit von Anwartschaften. Nach heutiger Rechtslage bleibt die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 21. Lebensjahres, endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre bestanden hat.

Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, hat der Arbeitnehmer nur ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht. Scheidet der Arbeitnehmer vor Eintritt der vereinbarten Voraussetzungen aus dem Arbeitsverhältnis aus, hat dann der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Direktversicherung zu kündigen und den Rückkaufswert für sich zu beanspruchen.

Ausnahmefall: Bei Kündigung infolge Insolvenz steht die Versicherungsleistung auch bei verfallbarer Anwartschaft dem Arbeitnehmer zu.

Im Fall einer Insolvenz kündigt in der Regel der Insolvenzverwalter die Arbeitsverhältnisse. Falls dem Arbeitnehmer im Rahmen einer Insolvenz gekündigt wird und noch kein unverfallbarer Anspruch auf Aufrechterhaltung der Anwartschaft besteht, hat der Bundesgerichtshof (BGH-Urteil vom 24.6.2015 – IV ZR 411/13) abweichend entschieden, dass die Versicherungsleistungen dem Arbeitnehmer auch dann zustehen, wenn die Voraussetzungen für ein unwiderrufliches Bezugsrecht mangels ausreichend langer Betriebszugehörigkeit noch nicht vorliegen. Hintergrund für diese Entscheidung und Ausnahme ist, dass der Arbeitnehmer im Insolvenzfall des Arbeitgebers keinerlei Einfluss auf das Arbeitsverhältnis hat, so dass hier der BGH eine Ausnahme sieht. In diesem Ausnahmefall – Kündigung durch den Insolvenzverwalter -– steht das Bezugsrecht trotz Nichteintritt der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen an die Unwiderruflichkeit dem Arbeitnehmer und dessen Vermögen zu. Damit sind auch die arbeitgeberfinanzierten Direktversicherungszusagen in solchen Fällen umfassend geschützt. Daneben gibt es weitere Möglichkeiten, wie eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrechte ausgestaltet werden können. Hinsichtlich des Insolvenzschutzes ist immer der Einzelfall zu betrachten.

Gesetzlicher Insolvenzschutz nach dem Betriebsrentengesetz für Versorgungszusagen in anderen Durchführungswegen
Der gesetzliche Insolvenzschutz nach dem Betriebsrentengesetz greift dagegen bei den anderen Durchführungswegen: über Direkt-/Pensionszusagen des Arbeitgebers, über Pensionskassen, falls es sich um eine regulierte Pensionskasse handelt, über Unterstützungskassen oder über Pensionsfonds – auch wenn die Versorgungsmittel versicherungsförmig angelegt sind und daher im Ergebnis die gleiche Sicherheit wie ein Versicherer dahintersteht. Das gilt selbst dann, wenn im Falle der Unterstützungskassen die Versorgungszusagen kongruent rückgedeckt sind. Und schlussendlich besteht gesetzlicher Insolvenzschutz auch noch bei Direktversicherungen, in anderen als den oben genannten Fällen.

Fazit:

Bei Arbeitnehmern sind die betrieblichen Versorgungszusagen hinreichend geschützt. Für Organpersonen bedarf es jedoch erweiterter Schutzmechanismen, um diese im Falle einer Insolvenz für den Versorgungsberechtigten zu erhalten.

Anja Sprick, Justiziarin Recht | Steuern, Longial