24. Mai 2023

…was unter Altersabstandsklauseln in der betrieblichen Altersversorgung zu verstehen ist?

Beinhaltet eine Versorgungszusage eine Hinterbliebenenrente, ist in dieser häufig geregelt, dass Leistungen an den verbliebenen Ehegatten ausgeschlossen sind, wenn dieser erheblich jünger als der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin ist.

Gesetzliche Regelungen hierzu befinden sich im Betriebsrentenrecht. Bestimmte Klauseln in der jeweiligen Versorgungsordnung der Arbeitgeber in Bezug auf Ausschlusstatbestände können dabei darauf abzielen, aus Gründen des Alters einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung auszuschließen. Dabei handelt es sich regelmäßig um sogenannte Altersabstandsklauseln. Ausweislich zweier Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann die durch sie bewirkte, unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt sein.

Um was geht es bei Altersabstandsklauseln?
Die Hinterbliebenenversorgung eines Arbeitnehmers soll im Todesfall die Hinterbliebenen absichern. Allerdings möchten die Arbeitgeber ihre diesbezüglichen finanziellen Verpflichtungen hinreichend kalkulieren können. Insofern enthalten Versorgungsordnungen, die eine Hinterbliebenenversorgung beinhalten, oftmals eine Regelung, dass Leistungen an den überlebenden Ehegatten ausgeschlossen sind, wenn dieser erheblich jünger als die Arbeitnehmerin beziehungsweise der Arbeitnehmer ist. Diese wird als Altersabstandsklausel bezeichnet. Mit der Wirksamkeit und insbesondere mit der Frage, ob die jeweilige Festlegung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt, müssen sich im Streitfall die Arbeitsgerichte befassen.

Grenze bei 15 Jahren Altersabstand in der Versorgungsordnung
In einem Fall hat das BAG entschieden, dass ein Arbeitgeber 15 Jahre jüngere Ehepartner von der Hinterbliebenenversorgung ausschließen darf, ohne dass die entsprechende Altersabstandsklausel in der Versorgungsordnung gegen das AGG verstößt. In dem vom BAG zu beurteilenden Fall (BAG-Urteil vom 20.2.2018 – 3 AZR 43/17) wehrte sich eine Witwe vor Gericht dagegen, dass sie von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen werden sollte. Ursprünglich war ihrem verstorbenen Ehemann von seinem Arbeitgeber eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt worden, welche allerdings vorsah, dass Ehegatten, die mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind, keinen Anspruch auf Leistung haben. In dem vom BAG beurteilten Sachverhalt trennten die Ehepartner 18 Jahre. Ausweislich der Urteilsgründe sei bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt. Zudem würden wegen des Altersabstands von mehr als 15 Jahren nur solche Ehegatten von dem Ausschluss erfasst werden, deren Altersabstand zum Ehepartner den üblichen Abstand erheblich übersteigt. Insofern sah das BAG auch keinen Verstoß gegen das AGG.

Leistungskürzung bereits bei einem Altersabstand von mehr als zehn Jahren möglich
Darüberhinausgehend hat das BAG in einem anderen Fall eine Altersabstandsklausel für zulässig erachtet, nach welcher bei einem Altersabstand von mehr als zehn Jahren eine Leistungskürzung um fünf Prozent für jedes weitere Jahr des Altersunterschieds erfolgt (BAG-Urteil vom 11.12.2018 – 3 AZR 400/17). Auch hier argumentierte das BAG, dass bei einem Altersabstand von elf Jahren, ab dem die Klausel greife, der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt sei, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringe. Zudem würden auch hier wegen des Altersabstands von mehr als zehn Jahren nur solche Ehegatten von dem Ausschluss erfasst werden, deren Altersdifferenz zum Ehepartner die übliche Spanne erheblich übersteige. Die Versorgungsordnung sehe keinen vollständigen Ausschluss bereits ab dem elften Jahr des Altersunterschieds vor, sondern vielmehr eine maßvolle schrittweise Reduzierung und bewirke damit einen vollständigen Ausschluss erst bei einem Altersabstand von mehr als 30 Jahren. Auch hier sah das BAG keine gegen das AGG verstoßende Diskriminierung wegen des Alters. Ausweislich der jeweiligen Feststellungen des BAG sei zwar durch die Altersabstandsklausel eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gegeben, diese sei jedoch dadurch gerechtfertigt, dass der Arbeitgeber, der eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, ein legitimes Interesse daran habe, das hiermit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen. Die Altersabstandsklausel sei auch erforderlich und angemessen, da sie die legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, die von der Klausel betroffen sind, nicht übermäßig beeinträchtige.

Fazit:

In den dargestellten Sachverhalten ist der Rechtsauffassung des BAG zuzustimmen. Denn neben den legitimen Interessen der Arbeitgeber an einer Kalkulierbarkeit der Kosten von Zusagen der Hinterbliebenenversorgung dürfte insbesondere auch das gemeinwohlorientierte Ziel der Stärkung der bAV als zweite Säule der Alterssicherung zu berücksichtigen sein. Eine Einschränkung der Freiheit der Ausgestaltung von arbeitgeberfinanzierten Zusagen der Hinterbliebenenversorgung darf nicht dazu führen, dass Arbeitgeber solche freiwilligen Zusagen überhaupt nicht mehr erteilen.

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial