01. Dezember 2021
Wirksamkeit einer Altersklausel in einer Versorgungsordnung
Was war geschehen?
Die im Juni 1961 geborene Klägerin ist seit dem 18.7.2016 bei der beklagten Gewerkschaft Ver.di tätig. Die Leistungen der bAV richten sich dort nach den Versorgungsregelungen einer Unterstützungskasse. Danach ist Voraussetzung für eine Versorgung, dass der oder die Beschäftigte bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Klägerin, die ihre Tätigkeit kurz nach ihrem 55. Geburtstag aufnahm, hielt diese Regelung für unwirksam. Im Wesentlichen stützte sie sich im Rahmen ihrer Ausführungen auf zwei Argumente:
- Einerseits sei die vorgesehene Altersgrenze altersdiskriminierend.
- Andererseits beinhalte sie eine unzulässige mittelbare Benachteiligung von Frauen. Diese hätten nach ihrer Ansicht aufgrund von Kindererziehungszeiten typischerweise weniger Möglichkeiten, eine bAV aufzubauen. Das typische Erwerbsleben einer Frau umfasse nicht 40 Jahre und mehr, sondern durchschnittlich 28 Jahre. Angesichts der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze auf das vollendete 67. Lebensjahr führe die Höchstaltersgrenze 55 zu einer unangemessen langen Zeitspanne, in der keine Möglichkeit bestehe, an der bAV teilzuhaben.
Keine unzulässige Altersdiskriminierung durch Altersgrenze in der Versorgungsordnung
Gemäß § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verfolgt das entsprechende Gesetz unter anderem das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen des Alters zu verhindern oder zu beseitigen. Insofern dürfen Beschäftigte nach § 7 Abs.1 AGG nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes, hier also wegen des Alters, benachteiligt werden. § 10 AGG besagt jedoch, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig ist, wenn sie objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Ausweislich der Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist die in der Versorgungsregelung vorgesehene Altersgrenze von 55 Jahren nicht als unzulässige Altersdiskriminierung nach § 7 Abs. 1 AGG unwirksam. Vielmehr sei sie nach § 10 AGG gerechtfertigt und zwar auch unter Berücksichtigung der Anhebung der Regelaltersgrenze auf die Vollendung des 67. Lebensjahres nach § 35 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI. Mit der Altersgrenze verfolge der Arbeitgeber ein legitimes Ziel, sodass sie angemessen und erforderlich sei.
Altersgrenze stellt auch keine geschlechtsspezifische Benachteiligung von Frauen dar
Die gewählte Höchstaltersgrenze von 55 Jahren führt nach Ansicht des BAG auch nicht zu einer unzulässigen mittelbaren Benachteiligung von Frauen wegen ihres Geschlechts, sodass daraus ebenfalls keine Unangemessenheit abgeleitet werden kann. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung sei zu berücksichtigen, dass ein durchschnittliches Erwerbsleben ungefähr 40 Jahre dauere und der Teil eines Erwerbslebens, der durch eine Altersgrenze betroffen sei, nicht unangemessen lang sein dürfe. Nach den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung lagen ausweislich der Ausführungen des BAG im Jahr 2019 den Versicherungsrenten in der Bundesrepublik Deutschland durchschnittlich 39 Versicherungsjahre zugrunde. Bei Männern belaufe sich diese Zahl auf 41,9 und bei Frauen auf 36,5 Versicherungsjahre. Dieser Unterschied ist nach Ansicht des BAG nicht so groß, dass die Altersgrenze von 55 Jahren bei Frauen zu einer unangemessenen Benachteiligung führe.
Fazit
Die erfolglose Klage stellt keine Überraschung dar. Zudem enthält das Urteil des BAG, welches bislang nur als Pressemitteilung vorliegt und dessen Begründung sicherlich zunächst abzuwarten bleibt, kaum neue Aspekte. Denn es entspricht der bisherigen ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Höchstaltersgrenzen in Versorgungsordnungen. Insofern kommt es auch weiterhin darauf an, ob im Rahmen eines typischen Erwerbslebens von mindestens 40 Jahren noch ein angemessener Zeitraum verbleibt, um vor dem Erreichen der Höchstaltersgrenze Versorgungsanwartschaften zu erwerben oder für die Altersversorgung anderweitig vorzusorgen. Neu ist allerdings, dass sich das BAG mit geschlechtsspezifischen Unterschieden der Dauer eines typischen Erwerbslebens befasst und diese bei der Altersgrenze von 55 Jahren nicht für wesentlich erachtet hat. Ob das BAG zu einer anderen Auffassung in dem Fall käme, dass die entsprechende Altersgrenze dazu führen würde, dass die bAV Frauen während der Hälfte des jeweiligen Erwerbslebens vorenthalten bliebe, bleibt allerdings im Hinblick auf die weiteren Entwicklungen in der Rechtsprechung abzuwarten.
i Was ist zu tun?
- Wer im fortgeschrittenen Berufsleben noch einmal den Arbeitgeber wechseln möchte und Wert auf die Teilnahme an der bAV des neuen Arbeitgebers legt, sollte sich vor Antritt der neuen Stelle mit den Regelungen der dortigen Versorgungsordnung vertraut machen und die vorbezeichnete Rechtslage kennen.
- Sollte eine Teilnahme an der bAV des neuen Arbeitgebers zum Beispiel aus den vom BAG dargestellten Gründen nicht mehr möglich sein, dürfte sich zudem ein Vergleich der Gesamtpakete anbieten, die dem Arbeitnehmer der bisherige und der neue Arbeitgeber bieten. Sofern der neue Arbeitgeber beispielsweise ein höheres Gehalt in Aussicht stellt und dies für den Arbeitnehmer ebenfalls wichtig ist, sollte dieser in seinen Überlegungen den dortigen Ausschluss von der Teilnahme an der bAV und den damit verbundenen finanziellen Verlust sowie die dadurch geminderte Versorgungssicherheit im Alter mit einfließen lassen.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de
Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial
(Experte für Stellungnahmen mit rechtlichem und steuerlichem Hintergrund insbesondere bei der Einrichtung und Änderung von Versorgungswerken sowie Fragestellungen zu Unterstützungskassen)