23. Februar 2023
Zeitwertkonten bei Gesellschafter-Geschäftsführern: Steuerliche Anerkennung nicht pauschal zu versagen
Bislang lehnt die Finanzverwaltung die steuerliche Anerkennung von Zeitwertkonten bei Gesellschafter-Geschäftsführern (GGF) grundsätzlich ab. Durch ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) kommt nun aber Bewegung in das Thema. Zuführungen zu einem Zeitwertkonto sind demnach nicht als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren, wenn das Wertguthaben für eine Vorruhestandsleistung nach Dienstaustritt verwendet wird.
Die ablehnende Haltung der Finanzverwaltung in Sachen GGF-Zeitwertkonten...
Zu den Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Zeitwertkonten-Modellen hatte sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) bereits mit seinem Schreiben vom 17.06.2009 (IV C 5 - S 2332/07/0004) geäußert. Darin heißt es, dass Vereinbarungen über die Einrichtung von Zeitwertkonten nicht mit dem Aufgabenbild von Personen vereinbar seien, die als Organmitglieder für Kapitalgesellschaften tätig sind (also zum Beispiel bei Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführern einer GmbH). Infolgedessen führe bereits die Gutschrift von künftig fällig werdendem Arbeitslohn auf einem Zeitwertkonto auch sofort zum Zufluss von Arbeitslohn.
...wurde in der Vergangenheit von den Finanzgerichten nur teilweise geteilt
Dieser Auffassung war der BFH nur zum Teil gefolgt. Einmal entschied er mit Urteil vom 11.11.2015 (I R 26/15) im Falle des Alleingesellschafters einer GmbH, dass die Vereinbarung über die Ansammlung von Wertguthaben auf einem Zeitwertkonto nicht dem entspricht, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter mit einem Fremdgeschäftsführer vereinbaren würde (siehe hier). Nur gut zwei Jahre später vertrat der BFH im Falle von Fremdgeschäftsführern aber wieder die gegenteilige Auffassung (Urteil des BFH vom 22.02.2018 – VI R 17/16 [siehe hier]). Das BMF sah sich dadurch gezwungen, seine Einschätzung aus dem Jahr 2009 anzupassen. Mit Schreiben vom 08.08.2019 (IV C 5 -S 2332/07/0004 :004) stellte es klar, dass Vereinbarungen über die Einrichtung von Zeitwertkonten bei Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich steuerlich anzuerkennen sind, wenn die betreffende Person keine Anteile an der Gesellschaft hält. Bei Personen mit einer Beteiligung ohne beherrschenden Einfluss sei nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen würde. Bei beherrschenden Organmitgliedern hielt das BMF hingegen an seiner pauschal ablehnenden Haltung fest.
Die Bildung eines Wertguthabens für den Vorruhestand eines Alleingesellschafters...
Um das Zeitwertkonto eines beherrschenden GGF ging es auch bei einem weiteren Fall, über den das Hessische Finanzgericht zu befinden hatte. Die betreffende GmbH hatte ihren Arbeitnehmern einschließlich des beherrschenden GGF die Teilnahme an einem Zeitwertkontenmodell ermöglicht. Dabei wurden Gehaltsanteile auf ein Investmentkonto abgeführt, dessen Guthaben zur Finanzierung eines vorgezogenen Ruhestandes beziehungsweise einer vollen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung während des noch fortbestehenden Dienstverhältnisses dienen sollte. Für den GGF wurde das Modell hinsichtlich der Verwendung des Wertguthabens auf die Finanzierung eines vorgezogenen Ruhestands eingeschränkt. Gleichzeitig wurde die Inanspruchnahme des Wertguthabens an den Dienstaustritt des GGF geknüpft. Die Finanzverwaltung versagte diesem Modell gleichwohl die steuerliche Anerkennung.
...kann nach Ansicht des FG steuerlich anzuerkennen sein
Das FG schloss sich der Meinung der Finanzverwaltung nicht an. Zwar sei eine Vereinbarung zur Ansammlung von Wertguthaben auf Zeitwertkonten mit der durch laufenden Gehaltsverzicht Freizeit erkauft werde, mit der Organstellung eines Geschäftsführers in der Regel nicht vereinbar. Eine solche Vereinbarung läge im Streitfall aber gar nicht vor. Durch die Beschränkung der Verwendung des Wertguthabens auf eine Vorruhestandsleistung werde zum einen eine zeitliche Bemessung der Leistung des Geschäftsführers vermieden. Zum anderen würde für die Inanspruchnahme des Wertguthabens die Abberufung des GGF gefordert, sodass es nicht zu einer Unvereinbarkeit des teilweisen Ausstiegs aus der aktiven Arbeitsphase mit der Organstellung kommen könne. Dem beherrschenden GGF werde also im Rahmen des Zeitwertkontos nicht die Möglichkeit einer späteren teilweisen Freistellung eingeräumt. Insoweit lägen keine Voraussetzungen vor, die bei der Dotierung des Zeitwertkontos zu einer verdeckten Gewinnausschüttung hätten führen können.
Fazit
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Fall ist beim BFH in Revision anhängig. Wie dort entschieden wird, bleibt abzuwarten. Doch die Argumentation des FG wirkt schlüssig. Das FG weist nämlich in seiner Urteilsbegründung treffend darauf hin, dass im vorliegenden Fall der Charakter des gewählten Modells dem Wesen einer arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung entspricht. Das Modell dient also in erster Linie nicht dazu, Freizeit zu erkaufen (wie es sonst bei Zeitwertkonten-Modellen üblich ist), sondern eine Versorgungsleistung zu finanzieren. Eine arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung kann aber auch für GGF mit steuerlicher Wirkung grundsätzlich eingerichtet werden. An die steuerliche Anerkennung einer solchen betrieblichen Altersversorgung werden im Übrigen auch weniger Bedingungen als bei einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung geknüpft (siehe hier).
i Was ist zu tun?
- Das Urteil sollte nicht als Wendepunkt in Sachen steuerliche Anerkennung von Zeitwertkonten bei beherrschenden Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften missverstanden werden. Mit der Dotierung solcher Zeitwertkonten dürfte im Regelfall weiterhin eine verdeckte Gewinnausschüttung verbunden sein. Bei der Einrichtung solcher Modelle ist also unverändert Vorsicht geboten. Doch das Urteil zeigt auf, dass die pauschale Ablehnung der Finanzverwaltung bzgl. der steuerlichen Anerkennung solcher Modelle dann nicht gerechtfertigt sein dürfte, wenn das "Zeitwertkonto" letztlich nur der Sicherung von fest zugesagten Leistungen dient, deren Finanzierung - in anderer Form - (auch) mit steuerlicher Wirkung möglich wäre. Doch die Abgrenzung der verschiedenen denkbaren Modelle dürfte im Einzelfall schwierig sein, so dass die Einrichtung von Zeitwertkonten grundsätzlich von Experten begleitet werden sollte.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de
Michael Gerhard, Aktuar (DAV), ERGO-Versorgungsträgermanagement, Longial