01. Dezember 2021

Zufluss von Arbeitslohn bei Übertragung einer Versorgungszusage auf einen Pensionsfonds

BFH-Urteil vom 19.4.2021 – VI R 45/18: Wird eine Direktzusage durch eine Pensionsfondsversorgung abgelöst, können steuerliche Nachteile für den Versorgungsberechtigten vermieden werden, wenn ein Antrag nach § 4e Abs. 3 EStG gestellt wird. Unterbleibt dies, können die Folgen gravierend sein.


Die Ausgangslage
Dem Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) war von seiner GmbH eine unmittelbare Versorgungszusage erteilt worden. Im Zusammenhang mit dem Dienstaustritt des GGF wurde diese bAV auf einen Pensionsfonds übertragen. Zur Finanzierung der Pensionsfondsversorgung trat die GmbH Ansprüche aus einer Rückdeckungsversicherung, welche zur Finanzierung der Direktzusage bestand, im Umfang von 257.644 Euro an den Pensionsfonds ab. Die für die unmittelbare Versorgungszusage in der Steuerbilanz der GmbH gebildete Pensionsrückstellung in Höhe von 233.680 Euro wurde aufgelöst. 

Die Auffassung von Finanzverwaltung und BFH
Das für den GGF zuständige Finanzamt vertrat die Auffassung, dass dem GGF im Zeitpunkt des Wechsels des Durchführungsweges steuerpflichtiger Arbeitslohn im Umfang der aufgelösten Pensionsrückstellung zugeflossen war. Der Meinung, dass bei der Übertragung einer Versorgungszusage auf einen Pensionsfonds dem Versorgungsberechtigten Arbeitslohn zufließt, hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit seinem Urteil nunmehr grundsätzlich angeschlossen. 
Anmerkung: Mit der Frage der konkreten Höhe des Zuflusses musste sich der BFH gleichwohl nicht befassen. Es sei angemerkt, dass sich die Finanzverwaltung hier wohl sogar noch zugunsten des Versorgungsberechtigten verrechnet hatte. Maßgeblich dürfte nämlich nicht die Höhe der aufgelösten Pensionsrückstellung (233.680 Euro), sondern der Umfang des Vermögensübergangs (257.644 Euro) gewesen sein. Denn der BFH stellt ausdrücklich auf „die vom Arbeitgeber erbrachte Ablöseleistung“ ab, nicht nur auf den Betrag der aufgelösten Pensionsrückstellung.

Der BFH führt in der Urteilsbegründung aus, dass dem Versorgungsberechtigten durch den Übergang auf den Pensionsfonds ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Gewährung von Versorgungsleistungen gegen einen Dritten verschafft wurde. Dies führt nach ständiger Rechtsprechung des BFH beim Versorgungsberechtigten zu einem steuerlichen Zufluss in Höhe der dem Dritten zugewendeten Mittel. Der Wechsel auf einen versicherungsförmigen Durchführungsweg unterscheide sich in seinem Charakter insoweit von einem bloßen Schuldnerwechsel im Sinne von § 415 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der einen steuerlichen Zufluss im Allgemeinen nicht auslöst. Im Übrigen läge die betreffende Übertragung auch nicht im alleinigen Interesse der GmbH. Insbesondere hätte der Versorgungsberechtigte zum Wechsel des Durchführungsweges seine ausdrückliche schriftliche Zustimmung geben müssen.

Die Nachlässigkeit der GmbH ...
Nach § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz (EStG) wäre es ein Leichtes gewesen, die gravierenden steuerlichen Nachteile für den GGF zu vermeiden. Denn § 3 Nr. 66 EStG regelt, dass Leistungen an einen Pensionsfonds zur Übernahme einer Direktzusage für den Versorgungsberechtigten dann steuerfrei bleiben, wenn im Vorfeld der Übernahme durch den Pensionsfonds ein Antrag nach § 4e Abs. 3 EStG vom Unternehmen gestellt wird. Wird ein solcher Antrag gestellt, kann die an den Pensionsfonds geleistete Zahlung zur Ablösung der unmittelbaren Versorgungszusage im Jahr der Übertragung nur in Höhe der aufgelösten Pensionsrückstellung als Betriebsausgabe abgezogen werden. Ein darüber hinausgehender Betrag ist auf zehn Jahre zu verteilen. Ein entsprechender Antrag war hier von der GmbH aber unstreitig eben gerade nicht bei dem Finanzamt gestellt worden.

... lässt sich nachträglich nicht mehr heilen.
Nach Ansicht des BFH war es unbeachtlich, dass aufgrund des fehlenden Antrags im vorliegenden Fall damit im Ergebnis dem, eher geringen, Vorteil bei der GmbH (keine zehnjährige Verteilung des Differenzbetrages von 23.964 Euro) ein immenser steuerlicher Nachteil für dem GGF gegenübersteht (zusätzlicher Zufluss von 233.680 Euro beziehungsweise  257.644 Euro). Dieses „Alles-oder-nichts-Prinzip“ sei verfassungskonform. Im Übrigen hätte der Versorgungsberechtigte seine Zustimmung zu der Ablösung verweigern können.

Fazit  

Die Entscheidung des BFH ist nicht weiter überraschend. Dass der Wechsel zwischen einem nicht-versicherungsförmigen und einem versicherungsförmigen Durchführungsweg im Allgemeinen lohnsteuerpflichtigen Zufluss beim Versorgungsberechtigen auslöst, ist bekannt. Jedenfalls sind derartige Wechsel bislang aus steuerlicher Sicht - mit Ausnahme von Spezialvorschriften wie dem § 3 Nr. 66 EStG - nicht gesetzlich begleitet. Das BMF geht in solchen Fällen in seinen Erlassen ebenfalls grundsätzlich von einem Zufluss-Tatbestand aus (vergleiche zum Beispiel das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4.7.2017 – IV C 5 - S 2333/16/10002). Soweit es im Einzelfall gute Gründe für eine andere Sichtweise geben mag, sollte dies im Zweifel durch die Einholung einer verbindlichen Auskunft abgesichert werden.

Interessant ist gleichwohl ein Detail. Der BFH stützt seine Entscheidung auch auf die Möglichkeit der Einflussnahme des Begünstigten auf den Wechsel des Durchführungsweges. Im vorliegenden Fall – bei der eine Einzelzusage für einen beherrschenden GGF vorlag – mag eine solche Möglichkeit der Einflussnahme bestanden haben. Ob indes Versorgungsberechtigte in jedem Fall den Wechsel des Durchführungsweges verhindern können, scheint fraglich. Die Fachwelt sieht unter bestimmten Bedingungen für den Arbeitgeber durchaus die Möglichkeit, diesbezüglich einseitig zu entscheiden. Allerdings ist aus arbeitsrechtlicher Perspektive die Zustimmungsfreiheit gerade davon abhängig, dass für den Arbeitnehmer aus dem Wechsel des Durchführungsweges kein (steuerlicher) Nachteil entsteht. Es bleibt offen, wie der BFH bei einer solchen Konstellation geurteilt und welche Konsequenzen dies für den Arbeitgeber gehabt hätte. 

i Was ist zu tun?

  • Bei dem Wechsel des Durchführungsweges können verschiedene steuerliche Fallstricke lauern. Ein solcher Vorgang sollte von Experten aus steuerlicher Sicht begleitet werden. Wer eine unmittelbare Versorgungszusage auf einen Pensionsfonds überträgt, sollte insbesondere in keinem Fall versäumen, vor Zahlung des Beitrags einen Antrag nach § 4e Abs. 3 EStG zu stellen.
    Anderenfalls können die Nachteile für die Versorgungsberechtigten gravierend sein, selbst wenn sich für den Arbeitgeber nur marginale Vorteile ergeben.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de 


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Versorgungsträger-Management, Longial
(Experte für Stellungnahmen mit rechtlichem und steuerlichem Hintergrund insbesondere im Rahmen der Verwaltung von Unterstützungskassen und für deren Jahresabschluss).