12. März 2025

Zulässigkeit der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Betriebsrente

LAG-Düsseldorf-Urteil vom 12.4.2024 – 6 Sa 1198/23


Die Frage nach dem Anspruch auf eine Betriebsrente ist von zentraler Bedeutung für viele Arbeitnehmer, insbesondere im Hinblick auf die Regelungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. In einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf wurde ein Fall verhandelt, der die Komplexität der gesetzlichen Bestimmungen und der tariflichen Regelungen in diesem Bereich verdeutlicht.

Was war geschehen?
Der Kläger war als Arbeitnehmer seit 1979 bis zu seinem Renteneintritt bei der Beklagten beschäftigt, bezog seit dem 1.5.2023 eine gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte als Vollrente. Bereits seit dem 1.1.2017 war er aufgrund einer Vereinbarung der Parteien, entsprechend einer Vorschrift eines auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Haustarifvertrags, beurlaubt. Die Beklagte sagte dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung nach dem Prinzip der Gesamtversorgung zu: Diese setzt sich neben der gesetzlichen Altersrente aus einer von der Pensionskasse der Beklagten gezahlten Pension sowie einem sogenannten Ruhegeld zusammen. Die Voraussetzungen und die Höhe des Anspruchs auf ein Ruhegeld sind in einem Haustarifvertrag geregelt, dem Tarifvertrag über die betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung (TV AltV). Im Zuge der Geltendmachung des zusätzlichen Ruhegeldes durch den Kläger erfolgte eine Nachfrage der Beklagten hinsichtlich eines etwaigen anderweitigen Verdienstes. Der Kläger übersandte daraufhin eine Entgeltabrechnung für Januar 2023, die ein Bruttomonatsgehalt von 3.005,84 Euro auswies. Die Beklagte wies den Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Ruhegeldes in der Folge mit der Begründung zurück, dass dessen anderweitiges Erwerbseinkommen ausweislich der Regelung im Haustarifvertrag die festgelegte Hinzuverdienstgrenze überschreite.

Der Kläger erhob schließlich eine Klage auf Zahlung von Ruhegeld in Höhe von 1.751,54 Euro brutto monatlich ab Mai 2023 beim Arbeitsgericht Wuppertal und vertrat hierbei die Auffassung, ihm stehe neben der gesetzlichen Altersrente und der von der Pensionskasse gezahlten Pension auch ein Ruhegeld nach TV AltV zu. Die Beklagte sei nicht berechtigt, seinen anderweitigen Verdienst anzurechnen. Der Gesetzgeber habe mit der Änderung des § 6 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geregelt, dass die Hinzuverdienstgrenze ab dem 1.1.2023 so wie bei der gesetzlichen Altersrente auch bei der Betriebsrente entfalle. Die dem entgegenstehende tarifvertragliche Vorschrift der Beklagten sei daher gemäß § 19 BetrAVG unwirksam. Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, sie sei zur Anrechnung anderweitigen Erwerbseinkommens auf das Ruhegeld berechtigt. Die Neufassung des § 6 BetrAVG habe daran nichts geändert, da der Gesetzgeber die Anrechnung von Hinzuverdienst bei Betriebsrenten nicht untersagt habe. Das Arbeitsgericht schloss sich der Auffassung des Klägers an und gab der Klage mit der Begründung statt, dass die Anrechnung des zusätzlichen Einkommens unzulässig sei. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein.

Wie hat das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt beurteilt?
Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab und stellte zunächst klar, dass im Streit nicht die entsprechende Berechnung der Beklagten stehe, sondern allein die – vom Arbeitsgericht bejahte – Rechtsfrage, ob die Regelung in Ziffer 15 Abs. 2 TV AltV wegen eines Verstoßes gegen § 6 BetrAVG unwirksam sei. Das Landesarbeitsgericht begründete seine Klageabweisung damit, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass § 6 BetrAVG (neue Fassung) einer Anrechnung anderweitigen Verdienstes entgegenstehe. Es habe übersehen, dass § 6 BetrAVG (alte Fassung) auch keine Anrechnungsmöglichkeit vorgesehen habe. § 6 BetrAVG schließe die Anrechnung von Erwerbseinkommen nicht aus. Richtig sei, dass der Gesetzgeber für den Bereich der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente ausweislich der Gesetzesbegründung beabsichtigt habe, mit dem Wegfall der Hinzuverdienstgrenze einen Beitrag zu leisten, dem bestehenden Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Es sei aber keineswegs zwingend, diesen Anreiz auch auf die betriebliche Altersversorgung zu erstrecken. Das Landesarbeitsgericht argumentierte insofern folgerichtig dahingehend, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des BetrAVG nicht die Möglichkeit der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Betriebsrenten ausschließen wollte. Das Gesetz sei lediglich hinsichtlich der Anzeigepflicht des Arbeitnehmers geändert worden. Da eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zum Wegfall des Anspruchs auf eine gesetzliche Vollrente führen kann, mache auch die gesetzliche Verpflichtung zur Anzeige der Aufnahme einer solchen Erwerbstätigkeit keinen Sinn mehr. Insofern sei lediglich die Informationspflicht des Arbeitnehmers in Bezug auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aufgehoben worden.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Regelung von Ziffer 15 Abs. 2 TV AltV auch nicht gemäß § 19 BetrAVG in Verbindung mit § 6 BetrAVG unwirksam, da § 6 BetrAVG die Anrechnung von Erwerbseinkommen des Klägers auf das Ruhegeld nicht ausschließe.

Ein zentraler Aspekt des Urteils war zudem die Unterscheidung zwischen Versorgungsbezügen und Erwerbseinkommen. Das Gericht stellte fest, dass die Anrechnung von Erwerbseinkommen auch nicht gegen § 5 Abs. 2 BetrAVG verstoße. Hiernach dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge, soweit sie auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, nicht gekürzt werden. Diese Vorschrift regele ausschließlich die Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge. Bei dem gegenständlich anrechenbaren Erwerbseinkommen handelte es sich jedoch nicht um einen Versorgungsbezug. 

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht insgesamt die Herausforderungen, mit denen sich Arbeitnehmer bei der Inanspruchnahme von Betriebsrenten und der gleichzeitigen Ausübung einer weiteren Erwerbstätigkeit konfrontiert sehen können. Die Differenzierung zwischen der Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge und Erwerbseinkommen dürfte allerdings zweckmäßig sein, da sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Anrechnung von Erwerbseinkommen im Kontext der betrieblichen Altersversorgung klarer definiert.

i Was ist zu tun?

  • Dieser Fall unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Arbeitnehmer sich über ihre Rechte und die geltenden Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung im Klaren sind. Denn die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex und erfordern eine genaue Kenntnis der geltenden Tarifverträge und gesetzlichen Bestimmungen. Insgesamt erfordert die Komplexität des deutschen Rentensystems eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den rechtlichen Grundlagen, um die eigenen Ansprüche erfolgreich durchsetzen zu können.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de 


Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial