25. Mai 2022

Zulässigkeit einer einjährigen Mindestehedauerklausel

BAG-Urteil vom 2.12.2021 – 3 AZR 254/21: Ein Fall, den wir von der ersten Instanz bis zum BAG begleitet haben. Das Bundesarbeitsgericht hat uns Recht gegeben und bestätigt, dass in individualrechtlichen Versorgungszusagen Mindestehedauerklauseln von zwölf Monaten wirksam aufgenommen werden können.


Der Fall
Die Klägerin ist Witwe und klagt gegen den ehemaligen Arbeitgeber ihres verstorbenen Mannes auf Zahlung einer Witwenrente. Knapp fünf Monate vor dem Tod heiratete der Rentner die Klägerin. In der Versorgungszusage war eine Klausel enthalten, die einen Anspruch auf Witwenrente ausschloss, wenn die Ehe in den letzten zwölf Monaten vor dem Tod eines Versorgungsberechtigten eingegangen wurde – es sei denn, der Tod ist Folge eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder einer Krankheit, die erst nach der Eheschließung eingetreten ist.

Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hielt die Klausel in der Versorgungszusage für wirksam.

Klausel benachteiligt nicht unangemessen
Die Klausel stellt nach Ansicht des BAG unter Berücksichtigung der umfassenden Abwägung der betroffenen Interessen der Versorgungsberechtigten und des Arbeitgebers keine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten dar.
Ein wesentliches Interesse des Versorgungsberechtigten aus der vorliegenden Versorgungsregelung ist die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung, um den Ehepartner finanziell zu versorgen. Der Arbeitgeber dagegen hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, sein mit der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung einhergehendes finanzielles Risiko zu begrenzen.

Keine Verhinderung eines Missbrauchs, sondern Ausnahme eines Risikos
Die in der Versorgungszusage enthaltene Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung orientiert sich an gewichtigen Risikoerwägungen. Bei der Klausel geht es – abweichend vom Ausschluss bestimmter Hinterbliebener im Sozialversicherungsrecht nach § 46 Abs. 2a SGB VI und im Beamtenversorgungsrecht nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG – mit dem Risikoausschluss nach Einschätzung des BAG typisierend nicht darum einen etwaigen subjektiven Missbrauch durch späte Eheschließung zu verhindern, sondern Risiken auszunehmen, die sich bereits konkretisiert haben, wenn der von der Versorgungsordnung vorgesehene Schutz eintritt. Das ist im Charakter der betrieblichen Altersversorgung als Risikoabdeckung angelegt. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, das Risiko nur so lange abzusichern, wie es sich nicht bereits konkretisiert hat, um damit objektive Versorgungsehen auszuschließen. Das berechtigt ihn, angemessene Fristen zwischen dem Zeitpunkt, der zum Eintritt der Risikoabsicherung führt, und dem Zeitpunkt, zu dem das Risiko eintritt, vorzusehen. Einen Zeitraum von zwölf Monaten zwischen Eheschließung und Todeseintritt als Mindestehedauer zu vereinbaren, war damit gerechtfertigt. Das Risiko des Todes hatte sich bei der Schwere der Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung konkretisiert.

Gegenbeweis muss möglich sein
Allerdings muss der Arbeitgeber den Hinterbliebenen zusätzlich die Möglichkeit vorsehen nachzuweisen, dass sich trotz des Todes innerhalb der so festgelegten Frist das Risiko zu dem Zeitpunkt, als der Schutz der Versorgungsordnung eintrat, noch nicht konkretisiert hatte. Vorliegend erfüllt die Klausel diese Voraussetzungen, denn eine Hinterbliebenenrente wird gewährt, wenn der Tod durch Unfall oder einer erst nach der Eheschließung eingetretenen Erkrankung eintritt. Der Arbeitgeber erfasst mit diesen Rückausnahmen nach Ansicht des BAG alle typischen objektiven Fälle, in denen eine Ehe zwar nicht lange genug gedauert hat, aber doch eine Hinterbliebenenversorgung geboten ist.  Damit führt die Klausel zu einem angemessenen Ausgleich der betroffenen Interessen und ist wirksam.

Fazit:

Der Arbeitgeber kann Hinterbliebenenleistungen versprechen, muss es jedoch nicht. Vor allem ist er nicht gehalten, sich den Regeln der gesetzlichen Sozialversicherung anzuschließen und für die betriebliche Versorgung gleiche oder entsprechende Regeln aufzustellen. Infolgedessen können die Anspruchsvoraussetzungen einer Hinterbliebenenrente enger als im gesetzlichen Rentenversicherungsrecht beschrieben werden. Mit der Entscheidung schafft das Bundesarbeitsgericht erfreulicherweise weitere Klarheit dahingehend, welche Ausnahmen in Versorgungsordnungen vereinbart werden können, um diese für den Arbeitgeber kalkulierbar zu gestalten.

Anja Sprick, Justiziarin Recht | Steuern, Longial
(Sie berät Unternehmen zu allen steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen der bAV, insbesondere zu Auswirkungen bei Betriebsübergängen und Unternehmensverkäufen, der Versorgung von GGF, dem Geltungsbereich des BetrAVG)