11. September 2024

Zur Bildung von Pensionsrückstellungen bei nicht eindeutigen Regelungen für den Bezug einer vorzeitigen Altersrente

BFH-Urteil vom 28.2.2024 – I R 29/21


Enthält eine unmittelbare Versorgungszusage teilweise unklare Angaben zur Art beziehungsweise zur Höhe der in Aussicht gestellten Leistungen, sind Pensionsrückstellungen gleichwohl in dem Umfang steuerlich anzuerkennen, wie in der Zusage eindeutige Angaben getroffen werden. 

Die Ausgangslage
Den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH waren im Jahr 1985 im Wesentlichen gleichlautende Direktzusagen erteilt worden. In der Folge wurden diese Zusagen mehrfach geändert. Sie sahen unter anderem vor, dass die für die Vollendung des 65. Lebensjahres zugesagte Rente „bei Ausscheiden“ auch vorgezogen in Anspruch genommen werden konnte. Beide Gesellschafter-Geschäftsführer traten im Jahr 2010 aus den Diensten der Firma aus und erhielten mit Vollendung des 60. Lebensjahres im Jahr 2011 beziehungsweise 2013 eine vorgezogene Altersversorgung. Strittig war zwischen der Finanzverwaltung und der Firma nun, ob diese Leistungen als Betriebsausgaben abzugsfähig waren und inwieweit die Direktzusage – vor und nach Rentenbeginn – in der Steuerbilanz (überhaupt) rückstellungsfähig war.

Keine eindeutige Regelung = keinerlei Pensionsrückstellung?
Die Finanzverwaltung sprach der Zahlung der vorgezogenen Altersrente aus verschiedenen Gründen die betriebliche Veranlassung ab. Nach ihrer Einschätzung gab es für diese nämlich keine eindeutige schriftliche Grundlage. Sie war insbesondere der Meinung, die Zusage regele nur die Zahlung einer vorgezogenen Altersversorgung, wenn Dienstaustritt und Inanspruchnahme zeitlich zusammenfallen („bei Ausscheiden“). Jedenfalls erfülle die Regelung nicht die Anforderungen an eine eindeutige Regelung, welche § 6a EStG zur Voraussetzung für eine Rückstellungsbildung mache. Mit dieser Auffassung setzte sich die Finanzverwaltung vor dem Finanzgericht (FG) Düsseldorf in erster Instanz durch (Urteil vom 9.6.2021 – 7 K 3034/15 K, G, H). Die Pensionsrückstellungen waren nach Auffassung des FG vollständig aufzulösen. Der Fall ging in Revision zum Bundesfinanzhof (BFH).

Nein! Enthält eine Versorgungszusage unklare Regelungen...
Mit der Frage, ob die betreffende Regelung tatsächlich zwingend so auszulegen sei, dass für den Bezug einer vorgezogenen Leistung ein Zusammenfallen von Dienstaustritt und Versorgungsbeginn Voraussetzung war, wollte sich der BFH im Kern nicht befassen. Denn die Feststellung, ob und in welcher Form und mit welchem Inhalt im Einzelfall eine Pensionszusage erteilt werde, obliege dem Finanzgericht als Tatsachengericht. Dessen Auslegung sei für den BFH letztlich auch dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sei. Und eine solche mögliche Auslegung der Versorgungszusagen wollte der BFH im vorliegenden Fall zumindest nicht ausschließen. Insoweit hat der BFH auf der einen Seite die Einschätzung des FG, wonach hier bezüglich der vorgezogenen Altersversorgung unklare Regelungen in den Zusagen vorkamen, nicht verworfen.

... ist die Bildung von Rückstellungen für den eindeutigen Anteil möglich
Auf der anderen Seite hielt der BFH die Auffassung des Finanzgerichts aber für unzutreffend, wonach deswegen im vorliegenden Fall die Bildung von Pensionsrückstellungen mit steuerlicher Wirkung vollständig ausgeschlossen war. Denn nach dem Wortlaut des § 6a EStG sei eine Rückstellungsbildung zulässig, wenn und soweit die dort genannten Bedingungen erfüllt seien. Mit dem Wort „soweit“ wird nach Ansicht des BFH die Teil-Anerkennung von Pensionszusagen ermöglicht. Eine solche Teil-Anerkennung sei nicht nur hinsichtlich der einzelnen Leistungsbausteine (Alter, Invalidität und Tod), sondern auch innerhalb einer Versorgungsart – hier: innerhalb der zugesagten Altersversorgung – zulässig. Wenn also – wie im vorliegenden Fall – infolge der unklaren Regelungen zur vorgezogenen Altersversorgung für diese eine Rückstellungsbildung nicht möglich sei, stünde damit die Zulässigkeit der für die reguläre Altersversorgung zu bildenden Pensionsrückstellung nicht in Frage. Im Streitfall war daher eine Pensionsrückstellung für die ab dem Pensionsalter von 65 Jahren fälligen Leistungen zu ermitteln und steuerlich anzuerkennen. Nur die (anteiligen) Rückstellungen für davor liegende Zahlungen waren steuerlich unzulässig.

Fazit

Dass dem BFH im vorliegenden Fall offenbar die Hände gebunden waren, die enge Auslegung der Versorgungszusage durch das FG zu korrigieren, wird man auf der einen Seite akzeptieren müssen. Erfreulich dürfte auf der anderen Seite aber sein, dass der BFH – im Übrigen nicht zum ersten Mal – der Auffassung entgegengetreten ist, jeder Mangel bei der Formulierung einer Versorgungszusage führe dazu, dass keinerlei Rückstellungsbildung zulässig sei. Überzeugend führt der BFH aus, dass eine teilweise steuerliche Anerkennung von Pensionsrückstellungen durchaus in Betracht kommt und im Gesetz sogar vorgesehen ist.

i Was ist zu tun?

  • In jüngster Zeit nehmen die Verfahren vor den Finanzgerichten zur Frage der eindeutigen Formulierung von Versorgungszusagen zu. Regelmäßig haben wir hierüber berichtet (siehe unter anderem hier und hier). Um der Finanzverwaltung keine Angriffsflächen für Beanstandungen zu bieten, sollten daher Versorgungszusagen – insbesondere im Falle von Zusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer – klar und eindeutig formuliert werden. Etwaig vorhandene unklare Regelungen sollten bestenfalls per Nachtrag präzisiert werden. Und selbst wenn die Finanzverwaltung einmal Regelungen zu Recht beanstanden sollte, zeigt der aktuelle Fall, dass damit die Bildung einer Pensionsrückstellung nicht vollständig ausgeschlossen sein muss. Es dürfte sich also lohnen, in solchen Fällen eine Prüfung des Sachverhalts durch einen Experten vornehmen zu lassen. Sprechen Sie uns gerne an!

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Recht, Steuern & VTM, Longial