24. Mai 2023

Zur Bildung von Pensionsrückstellungen bei Versorgungszusagen mit Vorbehalt

BFH-Urteil vom 6.12.2022 – IV R 21/19


Ergeben sich die Leistungen im Rahmen einer Entgeltumwandlungs-Direktzusage aus einer Transformationstabelle, deren Anpassung sich der Arbeitgeber vorbehält, scheidet die Bildung von Pensionsrückstellungen mit steuerlicher Wirkung aus. Dies gilt auch dann, wenn durch den Vorbehalt die Wertgleichheit von Entgeltumwandlung und zugesagter Leistung nicht angetastet werden soll (vergleiche Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6.12.2022 – IV R 21/19).

Ein Vorbehalt, eine Anwartschaft auf bAV-Leistungen anpassen zu können...
Der vom BFH entschiedene Fall betraf ein arbeitnehmerfinanziertes Versorgungswerk in Form der Direktzusage. Die Höhe der zugesagten bAV-Leistungen ergab sich aus den umgewandelten Entgeltbestandteilen auf Basis einer Transformationstabelle. Dieses wurde unter Berücksichtigung einer bestimmten Verzinsung und biometrischer Faktoren in eine Versorgungsleistung umgerechnet. Das Versorgungswerk gab dem Arbeitgeber das Recht, die betreffende Transformationstabelle einseitig zu ändern, soweit hierdurch das Gebot der Wertgleichheit von umgewandelten Entgeltansprüchen und zugesagter Leistung (vergleiche § 1 Abs. 2 Nr. 3 Betriebsrentengesetz - BetrAVG) nicht verletzt wurde. Die Wirkung einer modifizierten Tabelle sollte nach den Bestimmungen des Versorgungswerkes offenbar auf solche Umwandlungen beschränkt werden, die nach der Änderung erfolgten.

...ist in der Regel auch dann steuerschädlich...
Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass ein Versorgungswerk mit einer solchen Klausel nicht den Anforderungen des § 6a Einkommensteuergesetz (EStG) genüge. Demnach darf für eine Pensionsverpflichtung unter anderem nur dann eine Pensionsrückstellung gebildet werden, wenn die Zusage keinen Vorbehalt enthält, dass die zugesagte Leistung gemindert oder entzogen werden kann – oder wenn sich ein solcher Vorbehalt nur auf Tatbestände erstreckt, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung der Zusage zulässig ist. Zudem fordert § 6a EStG eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten Leistungen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung hat der Arbeitgeber im vorliegenden Fall durch die Klausel zur Änderung der Transformationstabelle die Zusage mit einem steuerschädlichen Vorbehalt versehen. Denn der Arbeitgeber habe diese nach Belieben ändern können. Das Finanzamt wollte daher die gebildeten Pensionsrückstellungen nur teilweise – offenbar näherungsweise in Höhe des durch vergangene Entgeltumwandlungen erdienten Umfangs – anerkennen. Die Klage des Arbeitgebers vor dem Finanzgericht (FG) Düsseldorf, mit der er die vollständige Anerkennung der gebildeten Pensionsrückstellungen erreichen wollte, blieb erfolglos (Urteil vom 29.5.2019 – 15 K 736/16 F). Das FG schloss sich dabei der Auffassung der Finanzverwaltung an.

...wenn das Wertgleichheitsgebot des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG den Vorbehalt eingrenzt
Vor dem BFH wandte der Arbeitgeber ein, dass für ihn zu keinem Zeitpunkt das Recht bestand, das Versorgungswerk einseitig nach Belieben zu ändern. Insbesondere sei das in § 1 Abs. 2 Nr. 3 Betriebsrentengesetz normierte Gebot der Wertgleichheit zu beachten. Im Übrigen sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Widerruf beziehungsweise Vorbehalt nur nach billigem Ermessen zulässig. Dem hielt die Finanzverwaltung unter anderem entgegen, dass durch die Regelungen der Zusage der Umfang einer möglichen Kürzung nicht eindeutig festgelegt sei. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sei jedoch die Eindeutigkeit von bAV-Regelungen zur Vermeidung von Unklarheiten über den Inhalt einer Versorgungszusage gesetzlich gefordert. Insbesondere solle der Finanzverwaltung nicht auferlegt werden, arbeitsrechtlich komplexe Rechtsfragen für die Rückstellungsbildung beurteilen zu müssen. Insoweit sei der Verweis auf das Gebot der Wertgleichheit hier ohne Belang.

Vorbehalte dürfen sich nur auf eng begrenzte Tatbestände erstrecken...
Der BFH schloss sich letztlich der Meinung der Finanzverwaltung an. Das Versorgungswerk enthalte einen Widerrufsvorbehalt. Solche stünden nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich der Bildung einer Pensionsrückstellung entgegen. Ausnahmen hiervon sähe das Gesetz allein für den Fall vor, dass sich der Vorbehalt nur auf Tatbestände erstrecke, bei deren Vorliegen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens eine Minderung der zugesagten Leistungen zulässig sei. Die Bildung einer Pensionsrückstellung sei steuerrechtlich insoweit nur dann bei einer mit Vorbehalt erteilten Versorgungszusage zulässig, wenn dieser positiv – das heißt ausdrücklich – einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiert, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestattet. Insbesondere schließt sich der BFH der teilweise in der bAV-Literatur vertretenen Meinung nicht an, dass Widerrufsvorbehalte grundsätzlich steuerunschädlich seien, weil diese aus arbeitsrechtlicher Sicht nur nach billigem Ermessen Wirksamkeit entfalten würden.

...und müssen den Umfang der möglichen Kürzungen eindeutig festlegen.
Nach Ansicht des BFH erstreckte sich im vorliegenden Fall der gewählte Widerrufsvorbehalt eben gerade nicht auf einen eng begrenzten Tatbestand. Er gab vielmehr dem Arbeitgeber das Recht, einseitig in die in Aussicht gestellten Leistungen einzugreifen. Hieran ändere auch das im Betriebsrentengesetz für Entgeltumwandlungszusagen enthaltene Wertgleichheitsgebot nichts. Denn aus arbeitsrechtlicher Sicht sei die Frage, ob dem Erfordernis der Wertgleichheit Rechnung getragen ist, bei Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung zu beantworten. Inwieweit das dem Arbeitgeber eingeräumte freie Ermessen bei einer möglichen Ersetzung der Transformationstabelle infolge des Gebots der Wertgleichheit eingeschränkt werde, sei der Versorgungsordnung aber nicht zu entnehmen. Der Vorbehalt normiere insoweit nicht positiv – das heißt ausdrücklich – einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand. Er gestatte daher nicht eine Minderung der Pensionsanwartschaft.

Der BFH zog zudem in Zweifel, dass das Versorgungswerk im vorliegenden Fall die Wirkung einer modifizierten Tabelle tatsächlich allein auf solche Umwandlungen beschränkte, die nach ihrer Änderung durchgeführt wurden. Auch diesbezüglich hielt der BFH die Regelungen nicht für eindeutig. Insoweit blieb offen, ob den gebildeten Pensionsrückstellungen womöglich nicht nur teilweise, sondern sogar vollumfänglich die steuerliche Anerkennung zu versagen war.

Fazit:

Behält sich ein Arbeitgeber bei Erteilung einer Versorgungszusage vor, die Höhe der in Aussicht gestellten Leistungen später einseitig ändern zu können, ist dies in aller Regel steuerschädlich. Ausnahmen gelten nur bei eng begrenzten Tatbeständen. Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG können insoweit nur für solche Leistungen gebildet werden, die dem Grunde und der Höhe nach verbindlich zugesagt werden. Gestattet ein Vorbehalt dem Arbeitgeber die Kürzung von Leistungen, ohne dies näher einzuschränken, kann nicht einmal teilweise eine Pensionsrückstellung für die in Aussicht gestellten Leistungen gebildet werden.

i Was ist zu tun?

  • Bei der Verwendung von Vorbehalten in Versorgungswerken ist Vorsicht geboten. Grundsätzlich sollten nur solche Berücksichtigung finden, die von der Finanzverwaltung ausdrücklich als steuerunschädlich zugelassen sind (siehe R 6a Abs. 4 Einkommensteuer-Richtlinien 2012). Wer problematische Vorbehalte bereits verwendet, sollte eine Änderung seines Versorgungswerkes erwägen. Insbesondere sollte die Minderung von in Aussicht gestellten Leistungen nicht in das freie Belieben des Arbeitgebers gestellt werden, sondern sich allenfalls aus objektiven Bemessungsgrößen ergeben. So könnten beispielsweise Kriterien genannt werden, die arbeitsrechtlich eine Einschränkung der Zusage für die Zukunft aus sachlichen Gründen rechtfertigen würden.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), ERGO-Versorgungsträgermanagement, Longial