07. Dezember 2022
Zur Überversorgung bei Pensionszusagen von Gesellschafter-Geschäftsführern
Eine Zusage auf mehr als 75 Prozent der Bezüge stellt eine Überversorgung dar
Der Bundesfinanzhof (BFH) vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Pensionsrückstellung für eine unmittelbare Festbetragszusage nur dann steuerlich anzuerkennen ist, soweit keine so genannte Überversorgung vorliegt. Von einer Überversorgung geht man aus, wenn die in Aussicht gestellten Leistungen zuzüglich etwaiger Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung 75 Prozent der Aktivbezüge am jeweiligen Bilanzstichtag übertreffen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 03.11.2004, IV B 2 - S 2176 - 13/04). Im Falle einer Überversorgung droht bei Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer damit eine verdeckte Gewinnausschüttung, soweit eine in Aussicht gestellte Versorgung den angemessenen Rahmen übertrifft.
Doch ist bei der Prüfung auf Überversorgung auf die prognostizierte gesetzliche Rente...
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass bei der Prüfung auf Überversorgung auf die zugesagte Rente im jeweiligen Pensionsalter abzustellen sei. Diese sei jedoch noch nicht voll erdient und stelle aus Sicht des Bilanzstichtages einen in der Zukunft liegenden möglichen Wert dar. Daher sei insoweit auch diejenige Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung zu berücksichtigen, die sich unter der Annahme, dass die Verhältnisse am Bilanzstichtag unverändert bleiben (Stichtagsprinzip) im Pensionsalter ergeben würde. Im vorliegenden Fall, den das Finanzgericht (FG) Nürnberg zu behandeln hatte, lag unter Anwendung dieses Grundsatzes eine Überversorgung bei den erteilten Versorgungszusagen vor. Es handelte es sich hierbei um zwei Direktzusagen, welche die Minderheitsgesellschafter einer GmbH erhalten hatten. Die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer übten während der Zusagedauer ununterbrochen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Die Finanzverwaltung ging davon aus, dass sich hieran auch künftig keine Änderung ergeben würde. Unter dieser Annahme ergab sich in Summe aus der in Aussicht gestellten betrieblichen Versorgungsleistung und der gesetzlichen Rente eine Gesamtversorgung, welche die genannte 75 Prozent-Grenze übertraf.
...oder lediglich auf die bereits erdiente gesetzliche Rente abzustellen?
Wäre hingegen die gesetzliche Rente allein in derjenigen Höhe in die Prüfung einbezogen worden, in der sie jeweils bis zum Prüfungszeitpunkt erdient war, wäre man im vorliegenden Fall überwiegend nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Überversorgung vorlag. Die Firma vertrat vor dem FG die Auffassung, dass nur die Einbeziehung der bereits erdienten Anwartschaft auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sachgerecht sei. Die Beanstandungen des Finanzamtes hätten insoweit keine Grundlage. Die Einbeziehung einer fiktiven gesetzlichen Rente auf der einen Seite sei nicht schlüssig, wenn auf der anderen Seite zukünftige Gehaltsentwicklungen bei der Überversorgungs-Prüfung unberücksichtigt blieben. Das Unternehmen verwies zudem auf die frühere Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 20.12.2006 (Az. I R 29/06) sowie vom 31.03.2004 (Az. I R 79/03)), die in diesem Zusammenhang ergangen war.
Nach Ansicht des FG ist allein die bereits erdiente gesetzliche Rente maßgeblich
Dieser Ansicht der klagenden GmbH schloss sich das Finanzgericht im Wesentlichen an. Die Annahme, dass die Verhältnisse am Stichtag künftig unverändert bleiben werden, sei unrealistisch. Die zu erwartende Änderung an der Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und mögliche Gehaltssteigerungen blieben dabei ausgeblendet. Auch sei ungewiss, wie sich die persönlichen Verhältnisse der begünstigten Person (Arbeitslosigkeit, Teilzeit, Ehe, Elternzeit usw.) in Zukunft entwickeln würden. Im Übrigen stelle der Wortlaut des § 6a EStG, der die Bildung von Rückstellungen von Pensionszusagen regelt, darauf ab, dass Veränderungen der Pensionsleistungen erst zu berücksichtigen seien, wenn diese eingetreten sind. Die Vorgehensweise der Finanzverwaltung stünde mit dieser gesetzlichen Regelung nicht im Einklang.
Fazit
Nun wird sich der BFH mit dem Sachverhalt befassen müssen. Dort ist das Verfahren inzwischen unter dem Aktenzeichen I R 42/21 in Revision anhängig. Ob der BFH der Ansicht des FG Nürnberg folgen wird, bleibt abzuwarten. Dass - wie im vorliegenden Fall der Kläger behauptet hatte - der BFH sich in früheren Verfahren mit der hier zu entscheidenden Frage bereits befasst hatte, trifft im Übrigen so nicht zu. In den genannten Verfahren war nämlich über die Versorgungszusage von solchen Gesellschafter-Geschäftsführern zu entscheiden, die gar nicht mehr sozialversicherungspflichtig waren. Zudem scheint die Argumentation des Finanzgerichts unvollständig. Denn egal wie unsicher die Annahmen zur Entwicklung der künftigen Höhe einer gesetzlichen Rente auch sein mögen - dass diese bei einer sozialversicherungspflichtigen Person künftig steigen wird, liegt auf der Hand. Im Übrigen hängt der ungeschmälerte Anspruch auf die zugesagte Versorgungsleistung auch von der weiteren Betriebszugehörigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers ab, von der naturgemäß ebenfalls nicht mit Sicherheit ausgegangen werden kann.
i Was ist zu tun?
- Die Berücksichtigung der hochgerechneten gesetzlichen Rente bei Überversorgungs-Prüfungen dürfte derzeit allgemein Praxis sein. Dies ist auch bei dem Näherungsverfahren, welches das BMF hierbei als zulässig erachtet (siehe BMF-Schreiben vom 05.05.2008 - IV B 2 - S 2176/07/0003) so vorgesehen. Vor dem Hintergrund des aktuellen Urteils des FG nun davon abweichen zu wollen, erscheint übereilt. Denn die Argumentation des Gerichts überzeugt hier nicht vollends. Vor einer etwaigen Änderung der Methodik von Überversorgungsprüfungen sollte insoweit in jedem Fall die Entscheidung des BFH abgewartet werden.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de
Michael Gerhard, Aktuar DAV), ERGO-Versorgungsträgermanagement, Longial