17. August 2016
Fragen zur Neuregelung der Bilanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen
Wesentliche Punkte sind die Ausweitung des Glättungszeitraums in der Ableitung des Rechnungszinses von sieben auf zehn Jahre, die jährliche Ermittlung des Unterschiedsbetrags der Rückstellungen bei Anwendung des sieben- und zehnjährigen Durchschnittszinses und die Einführung einer Ausschüttungssperre in Höhe des Unterschiedsbetrags. In diesem Artikel wollen wir uns mit einigen Details und Fragen beschäftigen.
Für welche Verpflichtungsarten ist die Neuregelung anzuwenden?
Die Neuregelung gilt ausschließlich für Zusagen der betrieblichen Altersversorgung. „Vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen“ im Sinne von § 253 Abs. 2 S. 2 HGB, also beispielsweise Altersteilzeit- oder Jubiläumsleistungen, sind nicht betroffen.
Wie erfolgt die Berücksichtigung in der Gewinn- und Verlustrechnung?
Der „Umstellungseffekt“ ist seinem Charakter nach wie ein Zinsänderungseffekt zu behandeln. Nach IDW RS HFA 30, Tz. 87 besteht damit ein Wahlrecht zum Ausweis im Personalaufwand oder im Finanzergebnis. Dabei ist der Grundsatz der Darstellungsstetigkeit zu beachten.
Ergeben sich auch Auswirkungen für mittelbare Zusagen und Altzusagen?
Für mittelbare Versorgungszusagen und Altzusagen (Art. 28 Einführungsgesetz im HGB (EGHGB)) gilt ein Passivierungswahlrecht. Werden die Verpflichtungen aus solchen Zusagen nicht passiviert, ist die Unterdeckung im Bilanzanhang anzugeben. Diese Unterdeckung ist künftig auf Basis des zehnjährigen Durchschnittszinses zu ermitteln, dürfte sich also zum Zeitpunkt des Übergangs tendenziell verringern. Ein Ausweis des Unterschiedsbetrags der Unterdeckung ist unseres Erachtens nicht erforderlich, könnte aber zumindest im ersten Abschluss nach Umstellung dem Bilanzleser das Verständnis erleichtern. Werden die Verpflichtungen hingegen bilanziert, gelten sämtliche Regelungen wie für unmittelbare Zusagen.
Wie ist mit noch ausstehenden BilMoG-Ansammlungsbeträgen umzugehen?
Die gesetzliche Neuregelung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf noch ausstehende BilMoG-Ansammlungsbeträge. Diese können weiterhin verteilt (mit mindestens 1/15-tel pro Jahr) zugeführt werden. Es steht einem bilanzierenden Unternehmen jedoch frei, die Entlastung durch die gesetzliche Neuregelung zu nutzen, um einen größeren Betrag der noch ausstehenden Ansammlungsbeträge zuzuführen. Dabei können der Umstellungseffekt aus der Neuregelung und die Ansammlungsbeträge entweder getrennt erfolgswirksam erfasst oder miteinander verrechnet werden. Bei der getrennten Erfassung fließt der Umstellungseffekt in den Personalaufwand oder ins Finanzergebnis, die Ansammlungsbeträge in den sonstigen betrieblichen oder den außerordentlichen Aufwand.
Wie errechnen sich der Unterschiedsbetrag und die Ausschüttungssperre bei Vorliegen von Deckungsvermögen?
Der Unterschiedsbetrag stellt auf die Differenz der Rückstellungen bei Anwendung des sieben- und des zehnjährigen Durchschnittszinses ab. Die Rückstellung entspricht dabei dem Erfüllungsbetrag abzüglich des Zeitwerts eventuell vorhandenen Deckungsvermögens. Wenn das Deckungsvermögen den Erfüllungsbetrag in beiden Varianten übersteigt, ergibt sich insoweit kein Unterschiedsbetrag und in der Folge auch keine Ausschüttungssperre.
Ist der Unterschiedsbetrag auch zu ermitteln, wenn die Ausschüttungssperre nicht greift oder gar kein Gewinn auszuschütten ist?
Ja, der Unterschiedsbetrag ist in jedem Fall zu ermitteln und im Bilanzanhang oder unter der Bilanz anzugeben (§ 253 Abs. 6 S. 3 HGB).
Für welche Gesellschaftsformen gilt die Ausschüttungssperre?
Diese Frage wird derzeit noch diskutiert. Unstrittig ist die Anwendung der Ausschüttungssperre für Kapitalgesellschaften und gleichgestellte Gesellschaften im Sinne von § 264a HGB. Bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften mit wenigstens einem persönlich haftenden Gesellschafter gehen die Meinungen der Experten derzeit noch auseinander. Hier bleibt die weitere Diskussion abzuwarten.
Gilt die Ausschüttungssperre auch bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages?
Unseres Erachtens hebelt das Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrages die Ausschüttungssperre aus. Gewinne sind in diesem Fall weiterhin vollständig abzuführen. In dieser Frage vertreten einige Experten aber auch eine abweichende Auffassung, so dass hier ebenfalls die weitere Diskussion abzuwarten ist.
Dr. Marcus Reich, Aktuar DAV | Sachverständiger IVS, Aktuariat, Longial