11. September 2024
Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz 2024 – Referentenentwurf vom 24.6.2024: ein praktischer Blick
In dem Gesetzespaket sind Anpassungen enthalten, die neben Änderungen am Betriebsrentengesetz (BetrAVG) unter anderem auch Änderungen am Einkommenssteuergesetz (EstG) sowie am Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) enthalten. Die Anhörung der Verbände ist aktuell in vollem Gange und man darf gespannt sein, ob und ggf. mit welchen Änderungsinhalten aus dem Referentenentwurf ein Regierungsentwurf wird. Das Gesetzespaket muss dann noch durch den Bundestag und den Bundesrat beschlossen werden und tritt danach in Kraft.
Ziel des Gesetzgebers ist es, die Rahmenbedingungen für den Auf- und Ausbau einer freiwilligen betrieblichen Altersversorgung zielgerichtet weiterzuentwickeln. Betriebsrenten sollen in den Unternehmen selbstverständlich werden und ein fester Bestandteil der Altersvorsorge der Beschäftigten sein. Hierzu sind Erleichterungen sowohl in der traditionellen betrieblichen Altersversorgung als auch für Sozialpartnermodelle geplant. Die wesentlichen Punkte werden im Folgenden kurz dargestellt.
Änderungen in der traditionellen bAV
Opting-Out auf Betriebsebene
Seit ein paar Jahren wird intensiv darüber diskutiert, wie die weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung gefördert werden kann. Um dies zu erreichen, kommen Optionssysteme als wesentliche Stellschraube in Frage. Ein solches Opting-Out kann nach den derzeitigen Bestimmungen des BetrAVG jedoch nur in einem Tarifvertrag geregelt werden.
Ein erster Schritt in Form einer automatischen Entgeltumwandlung für alle Durchführungswege wurde nun vorgeschlagen. Auch ohne tarifvertragliche Grundlage kann nach § 21 Absatz 2 BetrAVG-E ein Optionssystem in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Arbeitgeber mindestens 20 Prozent des umgewandelten Entgelts hinzugibt, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung einspart oder nicht. Ein ggf. erforderlicher Arbeitgeberzuschuss von 15 Prozent bei der Entgeltumwandlung in den versicherungsförmigen Durchführungswegen nach § 1a Absatz 1a BetrAVG ist mit den 20 Prozent jedoch abgegolten.
Neue zusätzliche Abfindungsgrenzen
Neben der bestehenden Regelung für die Abfindung von Kleinstanwartschaften in Höhe von maximal 1 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze nach § 18 Sozialgesetzbuch IV (§ 3 BetrAVG Absatz 2), kommt eine zusätzliche neue Abfindungsregelung im Absatz 2a hinzu.
In der neuen Abfindungsregelung können Kleinstanwartschaften beziehungsweise Kleinstrenten bis zu 2 Prozent der BBG unter folgenden Voraussetzungen abgefunden werden:
- Es bedarf der Zustimmung des Arbeitnehmers und
- der abgefundene Betrag muss unmittelbar zur Zahlung von Beiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung verwendet werden. Die Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung wird steuerfrei und sozialabgabenfrei gestellt (§ 3 Nummer 55c Satz 2 Buchstabe b EStG-E i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SvEV).
Die gesetzliche Änderung würde damit den Rahmen für mögliche Abfindungen erweitern. Aktuell läge die genannte 2-Prozent-Grenze für eine monatliche Rentenleistung bei 70,70 Euro (alte Bundesländer) beziehungsweise 70,30 Euro (neue Bundesländer). Vor diesem Hintergrund könnten dann auch Fälle von Ausgeschiedenen und Rentnern neu aufgerollt werden, bei denen in der Vergangenheit eine Abfindung unzulässig war.
Sofern aus dieser Regelung geltendes Recht wird, empfehlen wir sich zum Vorgehen beraten zu lassen, ob und welche Abfindungsregelung ratsam ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
In den § 3 BetrAVG kommt darüber hinaus noch ein neuer Absatz 7 hinzu, welcher ein kleines Fragezeichen bzgl. der Anwendung und Handhabung hinterlässt. Soll eine Pensionskasse liquidiert werden bzw. ist geplant, dass sie ihren Geschäftsbetrieb mit Zustimmung durch den jeweiligen Aufsichtsrat oder der Mitgliederversammlung und der BaFin aufgeben soll, dann sieht der neue Absatz vor, dass die Auszahlung des gebildeten Kapitals an die Versorgungsberechtigten als Abfindung der unverfallbaren Anwartschaften und laufenden Rentenzahlungen angesehen werden kann. Fraglich ist, in welchen Fällen der Absatz zur Anwendung kommen darf und kann und wann nicht.
Verbesserung für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen
Um den Nutzerkreis des arbeitgeberfinanzierten Förderbetrages in der bAV nach § 100 EStG für Beschäftigte mit niedrigeren Einkommen auszuweiten und dauerhaft stabil zu halten, soll die aktuelle fixe Einkommensgrenze dynamisiert werden. Sie soll künftig 3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung betragen. So erhöht sich am Beispiel für das Jahr 2024 die Einkommensgrenze von vorher 2.575 Euro auf 2.718 Euro. Gleichzeitig wird auch der Förderhöchstbetrag von 288 auf 360 Euro erhöht; damit sind pro Jahr anstatt 960 Euro bis zu 1.200 Euro förderfähig. Die Förderquote von 30 Prozent bleibt gleich.
Vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente
Bislang regelt § 6 BetrAVG, dass einem Arbeitnehmer, der die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente in Anspruch nimmt, auf sein Verlangen nach Erfüllung der Wartezeit und sonstiger im Versorgungswerk vorgesehenen Leistungsvoraussetzungen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren sind.
Doch der Anteil der Arbeitnehmer steigt, welche die gesetzliche Altersrente nicht als Vollrente, sondern nur als Teilrente in Anspruch nehmen. Seit 2023 gibt es jedoch aufgrund des 8. SGB IV-Änderungsgesetzes keine Hinzuverdienstgrenzen im Rentenbezug mehr. Langjährig Versicherte können damit eine gesetzliche Voll- oder Teilrente beziehen, ohne ihr Beschäftigungsverhältnis zu beenden.
Auf diese Entwicklung reagiert der Referentenentwurf zum zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz. Künftig sollen Beschäftigte auch bereits dann vorzeitig eine Betriebsrente - mit den entsprechenden Abschlägen - in Anspruch nehmen können, wenn sie eine als Teilrente geleistete Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen.
Stärkung des Sozialpartnermodells
Vor Veröffentlichung des Referentenentwurfs wurde von den Verbänden vielfach zur Steigerung der Verbreitung eine Öffnung des Sozialpartnermodells für nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefordert und ist nun auch im Gesetzesentwurf enthalten. Das bedeutet, dass sich Arbeitgeber, die nicht einschlägig tarifgebunden sind, mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien einem bestehenden Sozialpartnermodell anschließen können. Ob die Sozialpartnermodelle damit mehr Fahrt aufnehmen werden, gilt es abzuwarten.
Eine zwingende Beteiligung der sich anschließenden Arbeitgeber an der Steuerung des bestehenden Sozialpartnermodells entfällt. Damit bekommen auch diese Arbeitgeber Zugang zu bereits aufgesetzten Modellen. Um die Handlungsspielräume für chancenreichere Anlagestrategien zu erweitern, wurde zusätzlich in § 35 Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung PFAV eine größere Pufferbildung ermöglicht, um evtl. Schwankungen in der Auszahlungsphase zu verringern.