12. Juli 2016

Roter Teppich für Betriebsrenten

Zukünftig automatisches bAV-Angebot plus attraktive Zuschüsse für jeden Arbeitnehmer


In Zukunft sollen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages automatisch an einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) teilnehmen lassen können. Uninteressierte müssten dann bewusst dagegen optieren. Das ist eines der Ergebnisse des „Rentendialogs“ vom 8. Juli 2016, zu dem die beiden Ministerien für Arbeit und für Finanzen Vertreter von Verbänden und Sozialpartner eingeladen hatten. Mit diesem schon lange diskutierten Opting-out-Modell erhoffen sich die Beteiligten eine Stärkung der bAV. Zudem steht ein finanzieller Zuschuss im Raum, mit dem insbesondere Geringverdiener davon abgehalten werden sollen, sich gegen eine Teilnahme zu entscheiden. Was bedeuten derartige Neuerungen für die Arbeitgeber? Die offenen Fragen aus Unternehmersicht fasst Dr. Paulgerd Kolvenbach, Geschäftsführer der Longial, zusammen.

Für den Herbst 2016 hat die Bundesregierung ein umfassendes Rentenreformkonzept für alle drei Säulen angekündigt. Dazu finden im Vorfeld zahlreiche Diskussionsrunden mit Fachleuten für die gesetzliche, private und betriebliche Vorsorge statt. Ein wichtiges Mittel, die Betriebsrente vor allem in den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu verankern, ist dabei aus Sicht aller Beteiligten das sogenannte Opting-out-Modell. Gemeint ist damit die automatische Einbeziehung in ein bestehendes Angebot zur Entgeltumwandlung im Arbeitsvertrag. „Opting-Out ist gerade für den Mittelstand ein durchaus gangbarer Weg, der die Arbeitgeber zwar organisatorisch in die Pflicht nimmt, sie aber finanziell nicht belastet“, so Dr. Paulgerd Kolvenbach von der Longial. Insbesondere die Zielgruppe der jungen Berufseinsteiger könnte mit der Opting-out-Methode für einen Vorsorgevertrag gewonnen werden. „Allerdings muss die Umsetzung arbeitsrechtlich sauber begleitet werden. Gegenüber den Arbeitnehmern ist dabei eine offene Informationspolitik entscheidend“, so der bAV-Experte. Die Arbeitgeber haben bereits die Forderung erhoben, dass die Frage, ob überhaupt ein Angebot zur automatischen Teilnahme gemacht werde, wie in der bAV bisher üblich auf einer freiwilligen Entscheidung des Arbeitgebers beruhen müsse. Das kann natürlich die Frage aufwerfen, ob die Idee des Opt-out nicht von vornherein am Ziel vorbei geht. Dem steht allerdings der finanzielle Zuschuss gegenüber, den der Bundesfinanzminister offenbar zu gewähren bereit ist. Im Gespräch sind 30 Prozent Zuschuss zu einem Beitrag von bis zu 450 Euro p.a. Das möchte sich natürlich niemand wirklich entgehen lassen, was den Druck auf die Arbeitgeber, ein Angebot zu machen, deutlich erhöhen dürfte.

Offene Fragen bleiben
Trotz der breiten Unterstützung für Opting-out bleiben zahlreiche Fragen, die teilweise im bestehenden gesetzlichen Rahmen gelöst werden könnten, aber auch neue Rahmenbedingungen erfordern. Können Unternehmen die notwendige und umfangreiche Information der Beschäftigten über die Bedingungen rund um das Opting-out leisten? Und wie sehen die Konsequenzen für die Mitarbeiter aus, die sich gegen die automatische Entgeltumwandlung entscheiden – welche Folgen hat beispielsweise ein verspäteter Widerspruch? Was ist ein angemessener Zeitraum für den Widerspruch – zum Beispiel die Probezeit? Was gilt für bestehende Arbeitsverhältnisse oder für Versorgungsverträge von früheren Arbeitgebern? Nicht zu vergessen die Beschäftigten mit befristeten Verträgen, die voraussichtlich keine signifikanten Anwartschaften aufbauen werden: Welche Regelung soll hier gelten? Wird es gelingen, die Verträge der Mitarbeiter flexibel anzupassen, weil beispielweise aus einem Single ein Elternteil wird?

Die Chance ist da, die Bereitschaft zur Veränderung auch
Das Fazit des Longial-Experten: „Entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung von Opting-out sind flankierende Anreize, die die Verbreitung fördern, Flexibilität der Angebote sowie eine zuverlässige Beratung und Begleitung.“ Zudem sind gesetzliche Regelungen nötig, sollten sich aber auf ein Mindestmaß beschränken und nicht dazu führen, dass überzogene Anforderungen an die Arbeitgeber oder Produktanbieter gestellt werden. Der Boden ist bereitet, die Bereitschaft groß und die Chance vorhanden: Für die Betriebsrenten könnte erneut eine Renaissance beginnen.