05. April 2019
„Sozialpartnermodell“ ist „Wort des Jahres“ der bAV: Longial-Umfrage zu den bAV-Schwerpunkten 2019
Dieses Jahr rückten verstärkt politische Themen wie Grundrente, Doppelverbeitragung und EbAV II-Richtlinie in den Vordergrund. Dennoch bleibt das BRSG, insbesondere das Sozialpartnermodell, Diskussionsthema: Ist es gescheitert oder nicht? Eine eindeutige Antwort bleibt aus.
„Wort des Jahres“ der bAV 2019
Die Antworten der 350 Teilnehmer der 20. Handelsblatt Jahrestagung bAV 2019 vom 2. bis 4. April in Berlin auf die Frage nach ihrem persönlichen „Wort des Jahres“ der bAV zeigen, dass mit Inkrafttreten des BRSG die Baustellen der bAV nicht weniger geworden sind: „Sozialpartnermodell“ ist das „Wort des Jahres“ der bAV, aber auch die „Doppelverbeitragung“ erhielt zahlreiche Stimmen, gefolgt von „BRSG“ und „Niedrigzins“. „Das Wort des Jahres spiegelt auch die allgemeine Stimmung rund um die bAV wider: Gebanntes Warten auf das erste Sozialpartnermodell und Hoffen auf wichtige Entscheidungen zu verschiedenen Themen, die wichtig sind für die Akzeptanz der bAV insgesamt“, kommentiert Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial.
Auswirkungen der Politik: Grundrente und Doppelverbeitragung
Rente und Altersversorgung sind aktuell bedeutende Themen in der Politik. Viel diskutiert: die Grundrente. Mehr als zwei Drittel der Umfrageteilnehmer sehen ihr vorrangiges Ziel im Schutz gegen die Altersarmut und geben damit einen Fingerzeig in Richtung einer Bedürftigkeitsprüfung. Nur ein Drittel stuft die Grundrente wie Arbeitsminister Heil ein – als Anerkennung der „Lebensleistung“ in Form von langen Beitrags- beziehungsweise Versicherungszeiten. Die Doppelverbeitragung wird von vielen sowohl als Ungerechtigkeit für Betriebsrentner als auch als Hindernis bei der Verbreitung und Akzeptanz der bAV empfunden. Das bestätigen auch die Umfrageergebnisse: 83 Prozent sehen in der Abschaffung ein „Must have“. Das ist auch bei den politischen Akteuren angekommen. Allerdings herrscht weiter Uneinigkeit über die Finanzierung, was sich auch bei den Umfrageteilnehmern zeigt: 60 Prozent unterstützen den Vorschlag aus den Reihen der SPD, dass die Krankenkassen die Kosten überwiegend tragen sollten. Schließlich waren es auch die Krankenkassen, die alleine von der Einführung der Sozialversicherungsbeitragspflicht, insbesondere auf Kapitalleistungen aus Direktversicherungen, profitiert haben. Die Finanzierung überwiegend aus Steuermitteln, wie von Gesundheitsminister Spahn gefordert, unterstützen 40 Prozent.
EbAV-II-Richtlinie: Gesteigerte Anforderungen für Pensionskassen und -Fonds
Mit der EbAV-II-Richtlinie hat sich die Regulierungsdichte erhöht. Mehr als 60 Prozent sehen vor allem die gestiegenen Informationspflichten als größte Herausforderung bei der Umsetzung, 21 Prozent eher das Thema Governance, 16 Prozent die Umsetzung der Environment Social Governance (ESG)-Anforderungen in der aktuellen Kapitalmarktlage. Zu den Informationspflichten liegt nun auch ein Entwurf der angekündigten Rechtsverordnung vor. Und der bestätigt in vielerlei Hinsicht die Befürchtungen der Teilnehmer. Im Rahmen der Befragung kam aber auch ein bislang nur wenig beachtetes Detail der EbAV-II-Richtlinie an die Oberfläche – die Verpflichtung zu „Own Risk Assessment“. „Hier liegt nach Aussagen der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) gewaltiger Sprengstoff für die EbAV“, erläutert Hoppstädter.
Altersversorgung transparent machen: Säulenübergreifende Renteninformation
Gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium hat das Bundesarbeitsministerium (BMAS) ein gemeinsames Forschungsprojekt für eine säulenübergreifende Renteninformation ins Leben gerufen. Das dazugehörige Gutachten wurde erstmals auf der Tagung vorgestellt. Allerdings gestaltet sich die Umsetzung des Projekts als Herausforderung – vor 2021 ist wohl nicht mit einer Realisierung zu rechnen. Die Zielsetzung ist eine verlässliche, vollständige, vergleichbare und verständliche Übersicht der Altersversorgung. Doch was zählt man alles dazu? „Diese Frage wurde auch den Teilnehmern gestellt und es wurden bewusst Vermögenswerte benannt, die nicht eindeutig der Altersversorgung zuzuordnen sind. Und die Tagungsteilnehmer sind zum Beispiel bei Immobilienbesitz oder Wertpapierdepots zwiespältig, ob diese bei der geplanten Renteninformation berücksichtigt werden sollen“, erläutert Michael Hoppstädter. Ein weiterer Diskussionspunkt ist auch die Frage, welche Institution die Plattform betreiben soll, die die Daten sammelt beziehungsweise bei den Versorgungsträgern einholt. Knapp zwei Drittel der Teilnehmer sehen hier die Deutsche Rentenversicherung Bund als besonders geeignet. „Die Renteninformation wird die Branche, aber auch die Arbeitgeber in den nächsten Monaten und Jahren sehr beschäftigen“, befürchtet Hoppstädter. „Es ist zwar von einer stufenweisen Einführung auszugehen, bei dem sich erst nach und nach eine mehr oder weniger vollständige Übersicht der Altersversorgungsanwartschaften zeigen wird, aber es gilt, sich frühzeitig darauf einzustellen und vorzubereiten.“
bAV-Bestände: Inaktiv oder alt?
Run-Off von Lebensversicherern – Verkauf von Versicherungsvertragsbeständen an Investoren. Ein Thema, das auch Auswirkungen auf die bAV hat. „Die Antwort der Teilnehmer war deutlich: Mehr als die Hälfte sehen die Bestandsverkäufe von Lebensversicherern als problematisch für die Akzeptanz der bAV“, fasst der Longial Geschäftsführer zusammen. „Dies macht es den Arbeitgebern noch schwerer, für ihre bAV in der Belegschaft zu werben.“
Das Sozialpartnermodell: Erfolg, gescheitert – oder einfach mal abwarten?
Das Kernstück des BRSG ist das Sozialpartnermodell (SPM). Doch weiterhin steckt das Modell in der Theorie fest. Trotz vieler Diskussionen gibt es bis heute noch kein aktives Sozialpartnermodell, sondern nur Ankündigungen und eine Reihe von Anbietern. Kann man daher vom Scheitern sprechen? Eine knappe Mehrheit von 57 Prozent ist der Ansicht, dass solche Themen Zeit brauchen, das SPM werde sich etablieren. „Doch die restlichen Befragten sprechen sehr wohl vom Scheitern“, ergänzt der Longial Geschäftsführer: 24 Prozent sehen es zwar als gute Idee, sind aber der Ansicht, dass das Gesetzgebungsverfahren unnötig verkompliziert wurde. In der vorliegenden Form haben nun weder Arbeitgeber noch Gewerkschaften Interesse an dem Modell. Die restlichen 19 Prozent sehen die Ursache für das Scheitern darin, dass ein SPM nicht auf der betrieblichen Ebene eingerichtet werden kann.
Gibt es ein Fazit?
Angesichts der teilweise recht unterschiedlichen Ergebnisse zieht der Longial Geschäftsführer folgendes Fazit: „Die bAV bleibt spannend und brandaktuell. Es kommen neue Themen durch EbAV-II und säulenübergreifende Renteninformation auf die Branche und die Arbeitgeber zu und das Sozialpartnermodell muss nun ‚laufen lernen‘. Die Abschaffung der Doppelverbeitragung wäre ein wichtiges Signal der Politik für die bAV und würde für den benötigten Rückenwind bei der Altersversorgung sorgen.“
Die vollständige Umfrage steht unter www.longial.de zur Verfügung.