Die Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen ist eines der dynamischsten und zugleich komplexesten Felder der internationalen Rechnungslegung. Seit 2006 beschäftigt sich das International Accounting Standards Board (IASB) mit einer grundlegenden Überarbeitung der maßgeblichen Bilanzierungsregeln, die im Standard IAS 19 Employee Benefits beschrieben sind.
Im vergangenen Jahr hat das Board nun in einem ersten Schritt zahlreiche Änderungen für die Bilanzierung von Leistungszusagen (Defined Benefit Plans) verabschiedet. In diese Kategorie fallen beispielsweise die deutschen Direktzusagen.
Im Wesentlichen zielt der überarbeitete Standard auf eine Vereinheitlichung der Bilanzierungsregeln ab, und zwar durch die Abschaffung von Ansatzwahlrechten und Ermessensspielräumen. Hierzu zählen beispielsweise
- die Abschaffung der Korridormethode und der Möglichkeit zur aufwandswirksamen Erfassung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste,
- die Abschaffung des erwarteten Ertrags des Planvermögens zu Gunsten einer aufwandswirksamen Verzinsung des Planvermögens mit dem Rechnungszins für die Bewertung der Verpflichtungen und
- eine Vereinheitlichung der Darstellung des Pensionsaufwands.
Im Ergebnis führen die Neuregelungen dazu, dass künftig immer der volle Verpflichtungsumfang in der Bilanz ausgewiesen wird. Versteckte Beträge, wie sie in der Vergangenheit durch die Anwendung der Korridormethode oder die Verteilung von nachzuverrechnendem Dienstzeitaufwand möglich waren, wird es künftig nicht mehr geben. Versicherungsmathematische Gewinne und Verluste werden nun stets aufwandsneutral gegen das Eigenkapital (OCI – Other Comprehensive Income) verbucht.
Neu geregelt sind auch die Angabepflichten für den Anhang der Bilanz. Die bisherigen detaillierten Anforderungslisten des Standards werden um die Vorgabe grundlegender Prinzipien ergänzt. Danach sollen die Angaben
- die Zusagen und deren Risiken angemessen darstellen,
- die im Jahresabschluss erfassten Beträge erläutern und
- die Auswirkungen auf den künftigen Cashflow des Unternehmens aufzeigen.
Inhalt und Form der Darstellung wird dabei weitgehend dem bilanzierenden Unternehmen überlassen. Zu den Pflichtangaben zählen aber beispielsweise ausreichende Sensitivitätsanalysen des Verpflichtungsumfangs bzgl. der maßgeblichen Bewertungsparameter.
Am 6. Juni 2012 hat die EU-Kommission die Änderungen in europäisches Recht übernommen. Sie sind damit für sämtliche Anwender der EU-IFRS verbindlich umzusetzen. Die erstmalige Anwendung erfolgt für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen. Eine vorzeitige Anwendung ist möglich. Im Jahr der Erstanwendung sind auch sämtliche Vergleichsperioden nach den neuen Regeln darzustellen.
Fazit:
Die Änderungen am Standard IAS 19 werden für die Mehrzahl der betroffenen Unternehmen einen deutlichen Einschnitt in die bisherige Bilanzierungspraxis darstellen. Gerade die erweiterten Anhangsangaben können zu deutlichem Mehraufwand in der Bewertung der Pensionsverpflichtungen und der Darstellung der Ergebnisse führen. Um einen reibungslosen Umstieg auf die neuen Regeln zu gewährleisten, empfiehlt sich eine frühzeitige Abstimmung mit dem Pensionsaktuar.
Dr. Marcus Reich, Aktuar DAV, Fachbereich Aktuariat Direktzusagen | Rechnungslegung bei Longial