Anrechte, die zum Ehezeitende dem Betriebsrentengesetz unterfallen, können dem Versorgungsausgleich nicht entzogen werden, indem das Kapitalwahlrecht ausgeübt wird.
Im Falle einer Scheidung werden die in der Ehezeit erworbenen Anrechte zwischen den Ehepartnern im Versorgungsausgleich aufgeteilt. Bei den auszugleichenden Anrechten muss es sich grundsätzlich um Renten handeln.
In dem hier besprochenen Fall (BGH-Beschluss vom 16.07.2014 – XII ZB 16/14) veranlasste ein Ehepartner nach Ehezeitende die Auszahlung seiner vormals vom Arbeitgeber besparten Direktversicherung und Pensionskassenversorgung, da er das Unternehmen verlassen hatte und ihm die Rechte zur privaten Fortführung übertragen wurden.
Für privat geschlossene Rentenversicherungen stellte der Senat in einer früheren Entscheidung fest, dass diese nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr dem Versorgungsausgleich unterfallen – selbst wenn die Kapitalisierung erst nach dem Ende der Ehezeit, aber noch vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung stattfindet. Es kommt dann lediglich ein güterrechtlicher Ausgleich in Betracht, der in Fällen der Gütertrennung dazu führt, dass das Anrecht nicht ausgeglichen wird.
Obwohl das Kapitalwahlrecht für die hier streitigen Anrechte auch vor der gerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich ausgeübt wurde, entschied der Bundesgerichtshof in diesem Fall gegenteilig.
Das Gericht stellte fest, dass Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung anders zu behandeln seien als privat geführte Rentenversicherungen. Sie sind darauf ausgerichtet, ein Auskommen im Alter zu gewährleisten. Deswegen sind sie – anders als private Rentenversicherungen – durch Verfügungsbeschränkungen in der Ansparphase gesichert und können grundsätzlich nicht vorzeitig ausgezahlt werden.
Bestehen solche Anrechte zum Ende der Ehezeit, kann auch eine später veranlasste Auszahlung den Ausgleich im Versorgungsausgleich nicht verhindern. Es ist dabei unbeachtlich, ob das betriebliche Anrecht auf eine Renten- oder eine Kapitalzahlung gerichtet ist.
Fazit:
Der Bundesgerichtshof betonte mit dieser Entscheidung die bereits in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG berücksichtigte Ausnahmestellung von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung. Auch wenn das Kapitalwahlrecht ausgeübt wird, ist bei Anrechten im Sinne des Betriebsrentengesetzes der Rechtszustand maßgeblich, der im Zeitpunkt des Ehezeitendes besteht. Anders als bei privaten Rentenversicherungen ist nicht der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung maßgeblich.
Vanessa Angel, Ass. jur. im Bereich Recht | Steuern der Longial BFH-Urteil vom 25.06.2014 – I R 76/13 und OFD Nieder-sachsen, Verfügung vom 15.08.2014 – S 2742-259-St 241
Sowohl der Bundesfinanzhof (BFH) also auch die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachen haben sich im letzten Jahr nochmals deutlich zum sogenannten Erdienungszeitraum bei Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer geäußert.
Im Fall des BFH war der Versorgungsberechtigte beherrschender Gesellschafter und Geschäftsführer (GGF) einer im Jahre 1998 errichteten GmbH. Anfang 2001, im Alter von 58 Jahren, erteilte die GmbH dem GGF eine auf das vollendete 68. Lebensjahr ausgelegte Versorgungszusage. Diese sah eine monatliche Altersrente in Höhe von 1.500 EUR vor. 5 Jahre später wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen. Der GGF war noch als geringfügig Beschäftigter bis zum 30. September 2011 tätig. Ab Oktober wurde die vereinbarte Altersrente ausgezahlt.
Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) ist eine Vermögensminderung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Der BFH hat eine solche stets dann angenommen, wenn die Gesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Bei einem beherrschenden GGF kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Gesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung).
Grundsätzlich kann auf Basis der gefestigten Rechtsprechung des BFH dem beherrschenden GGF eine steuerlich anzuerkennende Versorgungszusage nur dann erteilt werden, wenn zwischen dem Zusagezeitpunkt und dem vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand mindestens 10 Jahre liegen (z.B. Senatsurteile vom 21.12.1994 –I R 98/93; vom 29.10.1997 – I R 52/97; vom 23.99.2008 – I R 62/07).
Diesem Grundsatz wird im zugrundeliegenden Fall nicht genügt. Der BFH stellt nicht in Abrede, dass grundsätzlich bei Erteilung der Zusage noch ein hinreichender Zeitraum zur Verfügung stand, in welchem der GGF die Anwartschaft „aktiv“ hätte erdienen können und dass nachfolgende Entwicklungen insofern nicht zu beachten sind. Vorliegend weisen aber schon der Anstellungsvertrag und die später erteilte Pensionszusage verschiedene Endalter auf. So lässt der Anstellungsvertrag die Möglichkeit einer Kündigung mit Vollendung des 65. Lebensjahres zu, während die Pensionszusage eben auf die Vollendung des 68. Lebensjahres gerichtet ist. Hier könnten nach Auffassung des BFH schon Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Erdienungszeit bestehen. Das lässt der BFH aber im Einzelnen dahinstehen. Vielmehr beruft er sich darauf, dass durch den Aufhebungsvertrag im Jahre 2006 und dem Ausscheiden die getroffene Zusagevereinbarung tatsächlich nicht mehr durchgeführt wurde. Auch daran erweist sich nach Auffassung des BFH die mangelnde Ernsthaftigkeit der Verabredung (vgl. Gosch, KStG, 2. Auflage, § 8 Rz. 331, m.w.N.).
Etwas anderes würde nur gelten, wenn für die verkürzte Laufzeit plausible betriebliche Gründe des Einzelfalls erkennbar oder vorgebracht worden wären. Dass der GGF noch in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis tätig war, ist hierbei nicht zu berücksichtigen, da ihm die Versorgungszusage für seine ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer erteilt worden ist und nicht für jede weitere Tätigkeit.
Auch die OFD Niedersachsen hat nochmals die Grundsätze der Entscheidungen des BFH zusammengestellt und betont, dass trotz der Verkürzung der arbeitsrechtlichen Unverfallbarkeitsfristen am grundsätzlich bestehenden 10-jährigen Erdienungszeitraum festgehalten wird. Dies gelte auch für Versor-gungszusagen, die auf Entgeltumwandlung beruhen.
Fazit:
Indem der BFH auf die tatsächlich nicht durchgeführte Zusagevereinbarung abstellt, betrachtet er hier nicht nur den Zeitpunkt der Erteilung der Zusage bis zum möglichen aktiven Erdienen, sondern stellt schon auf die nachfolgende Entwicklung ab. Dies insbesondere deshalb, weil keine plausiblen betrieblichen Gründe vorlagen, die eine andere Betrachtungsweise erlaubt hätten. Um keinerlei Anlass für eine mangelnde Ernsthaftigkeit zu geben, sollte auf jeden Fall das Endalter im Anstellungsvertrag und der Versorgungszusage aufeinander abgestimmt sein. Ein Ausscheiden ist innerhalb des Erdienungszeitraums dann nur aus betrieblichen Gründen möglich.
Anja Sprick, Rechtsanwältin im Bereich Recht | Steuern der Longial In der Praxis stellt sich gelegentlich die Frage, ob ein Verhalten, welches eine außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, auch dazu berechtigt, die bAV zu entziehen. Mit dieser Frage hat sich das BAG in seinem Urteil vom 17.06.2014 (3 AZR 412/13) auseinandergesetzt. Dem Urteil lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:
Der 1943 geborene Arbeitnehmer trat zum 01.06.1968 in die Dienste des Arbeitgebers ein. Am 29.12.1975 erhielt er eine Direktzusage. Am 05.09.1986 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos aufgrund eines schweren Vertrauensbruchs und einer erheblichen Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage. Im Dezember 1986 schlossen Arbeitgeber und Arbeitnehmer letztlich einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 10.09.1986. Darin ist unter anderem geregelt, dass der Mitarbeiter auf seine Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung verzichtet. Ferner sollen mit der Vereinbarung alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vollständig abgegolten sein. Im Februar 2008 beantragte der ehemalige Arbeitnehmer mit Vollendung seines 65. Lebensjahres eine Rente aus der Direktzusage. Der Arbeitgeber verweigerte dies unter Berufung darauf, dass der Arbeitnehmer in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen habe. Sein Verhalten hätte eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Ferner sei im Rahmen des Aufhebungsvertrages ein sogenannter Tatsachenvergleich geschlossen worden und somit festgehalten, dass kein Anspruch mehr besteht.
Das BAG stellt hierzu Folgendes klar:
Auch wenn Gründe vorliegen, die den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung berechtigen, darf dem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht gleich die betriebliche Altersversorgung entzogen werden. Dies ist nur in zwei Fällen möglich: - Der Arbeitnehmer hat den Eintritt der Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaften nur durch Vertuschung schwerwiegender Verfehlungen erschlichen.
- Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber durch sein grobes Fehlverhalten einen nicht wiedergutzumachenden schweren Schaden zugefügt. Bei einem Vermögensschaden liegt ein derartiger Schaden aber nur dann vor, wenn der Arbeitgeber hierdurch in seiner Existenz gefährdet wird.
Im Rahmen des Aufhebungsvertrages erklärt der Arbeitnehmer seinen Verzicht auf die Geltendmachung der Ansprüche aus der bAV. Das ist nicht mit der Regelung des § 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) vereinbar. Denn danach können nur Kleinstanwartschaften abgefunden werden. Ferner erfasst § 3 BetrAVG über seinen Wortlaut hinaus nicht nur die Abfindung, bei der für die Anwartschaften ein Gegenwert gezahlt wird, sondern nach der Rechtsprechung erst recht den entschädigungslosen Verzicht.
Ein Tatsachenvergleich ist nach dem Wortlaut des Aufhebungsvertrages hier gerade nicht geschlossen worden, weil man sich nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen der Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung auf bAV geeinigt hat, sondern ein Verzicht vereinbart wurde.
Fazit:
Auch wenn Gründe vorliegen, die zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung berechtigten, kann nur in ganz extremen Ausnahmefällen die bAV entzogen werden. Im Rahmen eines Aufhebungsvertrages kann nicht auf Anrechte der bAV verzichtet werden, wenn die Anrechte die Abfindungsgrenzen des § 3 BetrAVG übersteigen.
Bernd Wilhelm, LL.M., Rechtsanwalt Leiter Recht | Steuern der Longial |