Das Bundesarbeitsgericht (BAG-Urteil v. 16.2.2010 – 3 AZR 118/08) hat entschieden, dass ein aufgrund betrieblicher Übung begründeter Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nicht durch eine so genannte gegenläufige betriebliche Übung beseitigt werden kann.
Im zugrunde liegenden Fall zahlte eine Firma viele Jahre im November eines jeden Jahres zusammen mit den Rentenzahlungen ein Weihnachtsgeld an ihre Betriebsrentner. Wegen des Versorgungscharakters sah das Bundesarbeitsgericht in dieser Zahlung eine betriebliche Altersversorgung. Die Gewährung der Leistung war weder mit einem Widerrufs- noch mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen.
Durch die mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung von Leistungen ist in dieser Vorgehensweise eine betriebliche Übung begründet worden. Von dieser betrieblichen Übung wollte sich der Arbeitgeber einige Jahre später einseitig lösen, in dem er ankündigte, die augenblicklich geschuldete Gratifikation sei künftig eine freiwillige Leistung, die er nur noch weitere drei Jahre erbringe und dann einstelle.
Durch diese Vorgehensweise wollte der Arbeitgeber die Leistung, die zunächst vorbehaltlos gewährt wurde, unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellen und damit eine gegenläufige betriebliche Übung begründen. Wenn kein Betriebsrentner der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren widersprechen würde, wäre die gegenläufige Übung entstanden und der Arbeitgeber könnte die nun freiwillig gewordene Leistung wieder einstellen.
Hier hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass für ein Versorgungsverhältnis im Bereich der betrieblichen Altersversorgung eine gegenläufige betriebliche Übung nicht anzuerkennen ist. Das Institut der gegenläufigen betrieblichen Übung ist vielmehr für das aktive Arbeitsverhältnis entwickelt worden, welches durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung geprägt ist. Hier unterstellt die Rechtsprechung, dass eine Partei einer Vertragsänderung, wenn sie sie verhindern wolle, widersprechen würde. Folglich würde eine stillschweigende Duldung über drei Jahre zu einer gegenläufigen Übung führen. Ein Versorgungsverhältnis dagegen wird durch die einseitige Leistungspflicht des Arbeitgebers geprägt. Den Versorgungsempfänger treffen keine primären Leistungspflichten, so dass in einer Duldung kein zustimmendes Verhalten zu einer Vertragsänderung unterstellt werden kann.
Diese unterschiedliche Struktur der Rechtsbeziehungen (Arbeits- zu Versorgungsverhältnis) verbietet es, den Rechtsgedanken der gegenläufigen betrieblichen Übung auf das Versorgungsverhältnis im Betriebsrentenrecht zu übertragen.
Fazit:
Eine vorbehaltlos begründete betriebliche Übung kann der Arbeitgeber einseitig nicht wieder aufheben. Will er vermeiden, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er den einschränkenden Vorbehalt von vornherein klar und deutlich zum Ausdruck bringen.
Anja Sprick, Rechtsanwältin bei Longial Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 20.04.2010 (Az. 3 AZR 509/08) entschieden, dass eine Versorgungszusage den Anspruch auf die Witwen-/Witwerversorgung davon abhängig machen kann, ob die Ehe vor dem (vorzeitigen) Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde.
Die Versorgungsordnung sah vor, dass keine Hinterbliebenenversorgung gewährt wird, wenn der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall passiert, mit unverfallbaren Anwartschaften aus dem Unternehmen ausscheidet und erst nach diesem Ausscheiden heiratet. Die Witwe klagte nunmehr auf Zahlung einer Witwenrente.
Das Bundesarbeitsgericht sah in einer solchen Regelung wie in der vorliegenden Versorgungsordnung keinen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und europäische Vorschriften. Es liege keine Diskriminierung aufgrund des Alters oder des Geschlechtes vor. Das Bundesarbeitsgericht führt hierzu aus, dass der Arbeitgeber frei in der Entscheidung sei, ob er überhaupt eine Hinterbliebenenversorgung einrichte. Daher sei er auch grundsätzlich berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen. Gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung habe der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die Versorgung zu begrenzen, um die zusätzlichen Risiken zum Beispiel Zeitpunkt des Leistungsfalles und Dauer der Leistungserbringung besser kalkulierbar zu machen.
Der Arbeitgeber darf die von ihm freiwillig eingeführte Hinterbliebenenversorgung auf einen Personenkreis beschränken, dessen Versorgungsbedarf durch eine Eheschließung bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt war. Das Ende des Arbeitsverhältnisses stelle für den Arbeitgeber eine wesentliche Zäsur dar und sei damit ein sachgerechtes Abgrenzungskriterium für die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung.
Durch die angegriffene Regelung der Versorgungsordnung wird nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch nicht der Schutz der Ehe nach dem Grundgesetz eingeschränkt. Denn das Ausbleiben eines durch die Heirat erhofften Vorteils ist kein rechtlicher Nachteil.
Fazit:
Für Arbeitgeber, deren Versorgungsordnung eine wie oben beschriebene Bestimmung enthält, besteht nach dem Urteil Rechtssicherheit, dass diese Klausel rechtmäßig ist. Arbeitgeber, deren Versorgungszusage keine vergleichbare Bestimmung für die Hinterbliebenenversorgung enthält, könnten darüber nachdenken, eine solche Beschränkung zumindest für die noch aktiven Arbeitnehmer einzuführen. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen der Todesfall nicht durch eine Rückdeckungsversicherung abgesichert ist. Damit werden die Risiken der Hinterbliebenenversorgung und die Dauer der Leistungserbringung besser kalkulierbar.
Susanne Kayser-Dobiey, Rechtsanwältin bei Longial |