Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in mehreren Urteilen vom 30.09.2014 mit der Frage der Anpassungsprüfungspflicht von Arbeitgebern beschäftigt, die ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersversorgung über eine regulierte Pensionskasse gewähren. Das BAG kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass für den Arbeitgeber in diesen Fällen weiterhin eine Anpassungsprüfungspflicht besteht, auch wenn Überschüsse leistungserhöhend verwendet werden. Insofern verweigert das BAG dem Arbeitgeber, sich auf die Überschusszuteilung durch die regulierte Pensionskasse zurückzuziehen.
"Anpassungsprüfungspflicht" oder "Escape-Klausel"?
Grundsätzlich ist jeder Arbeitgeber gehalten, alle drei Jahre zu prüfen, ob laufende Renten aufgrund des Kaufkraftverlustes anzupassen sind. Dabei sind sowohl die Belange der Versorgungsempfänger als auch die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers angemessen zu berücksichtigen. Diese sogenannte Anpassungsprüfungspflicht des Arbeitgebers entfällt, wenn die bAV über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse durchgeführt wird und von Rentenbeginn an sämtliche Überschussanteile der Direktversicherung beziehungsweise der Pensionskasse leistungserhöhend verwendet werden (sogenannte "Escape-Klausel"). Dies gilt aber nur, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses der Direktversicherung oder der Pensionskassenversorgung der jeweils zugrunde liegende Tarif keinen höheren Rechnungszins für die sogenannte garantierte Leistung zusagt, als aufsichtsrechtlich nach der Deckungsrückstellungsverordnung zulässig war. Das BAG führt hierzu aus, dass nur so hinreichend Überschüsse für eine Leistungserhöhung erzielt werden könnten, die einer Erhöhung im Rahmen der generellen Anpassungsprüfungspflicht zum Ausgleich des Kaufkraftverlustes der Höhe nach entspricht.
"Fluch" oder "Segen" der Regulierung?
Der vorgenannte Höchstrechnungszins gilt verbindlich allerdings nur für Lebensversicherungsunternehmen und für sogenannte deregulierte Pensionskassen. Zum 01.01.2006 wurden durch eine aufsichtsrechtliche Änderung alle Pensionskassen dereguliert. Dies bedeutet, dass sie grundsätzlich den gleichen Anforderungen an den Rechnungszins und die sonstigen Kalkulationen wie Lebensversicherer unterliegen. Sie müssen ihre Bedingungen und Tarife mit samt ihren Kalkulationsgrundlagen sowie ihre Solvabilität (Zahlungsfähigkeit) gegenüber der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) zur Prüfung vorlegen. Allerdings konnten die Pensionskassen beantragen, weiterhin als regulierte Pensionskassen behandelt zu werden. Das hat zur Folge, dass auch weiterhin höhere genehmigte garantierte Rechnungszinssätze in den Tarifen verwendet werden konnten und die Tarife sich somit nicht nach den pauschalen Vorgaben der Deckungsrückstellungsverordnung richten müssen.
Das BAG sieht in der Entscheidung, sich nicht deregulieren zu lassen, einen freiwilligen Entschluss, mit dem einhergeht, dass die Rentenanpassung nicht über die Überschussverwendung erreicht werden kann, sondern der Arbeitgeber weiterhin in der Anpassungsprüfungspflicht bleibt.
Wann kann die "Escape-Klausel" überhaupt helfen?
Ferner stellt das BAG auch fest, dass die Anpassungsprüfungspflicht des Arbeitgebers nicht für laufende Renten entfällt, die auf Zusagen beruhen, die vor dem Inkrafttreten der Deckungsrückstellungsverordnung am 16.05.1996 erteilt worden sind. Das Urteil des BAG erfasst somit nicht nur regulierte Pensionskassenverträge, sondern kann auch Bedeutung für Direktversicherungsverträge gewinnen, die vor dem 16.05.1996 abgeschlossen wurden.
"Weil nicht sein kann, was nicht sein darf …"
Von Seiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist man aber im Rahmen der Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie bestrebt, das Erfordernis, den aufsichtsrechtlichen Höchstrechnungszins nicht zu überschreiten, fallen zu lassen. Damit wäre für Arbeitgeber, die ihre bAV über eine regulierte Pensionskasse oder eine ältere Direktversicherung erbringen, zumindest für die Zukunft wieder Rechtssicherheit hergestellt.
Fazit:
Aufgrund der aktuellen Gesetzeslage scheint das BAG-Urteil zwar nachvollziehbar. Für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung wäre es aber ein schlechtes Zeichen, wenn sichere und erprobte Durchführungswege, wie Pensionskassen und Direktversicherungen, plötzlich zu Nachhaftungsrisiken für den Arbeitgeber führen würden. Denn gerade dies wollten die Arbeitgeber mit der Auswahl dieser Durchführungswege in der Regel vermeiden. Die gesetzgeberische Initiative ist somit zu begrüßen und die genaue Umsetzung abzuwarten.
Bernd Wilhelm, LL.M., Rechtsanwalt, Leiter Recht | Steuern, Longial