In den Rubriken „aktuelles“ und „praxis“ haben wir über die dramatischen Auswirkungen der Zinsschmelze auf die Pensionsrückstellungen berichtet. Vielen Unternehmen drohen bereits im Jahresabschluss 2015 deutliche Zusatzbelastungen. Bilanzielle Sofortmaßnahmen können hier zumindest kurzfristig zu einer Entlastung führen. Sind beispielsweise Rentenleistungen zugesagt, muss in der Bewertung der Verpflichtungen ein angemessener Trend für die langfristige Entwicklung der künftigen Rentenanpassung angesetzt werden. Viele Unternehmen passen die laufenden Renten im Rahmen von §16 Betriebsrentengesetz nach der Entwicklung des Verbraucherpreisindex (VPI) an. Sie gewähren also faktisch einen Inflationsausgleich. Für den Rententrend in der Bewertung orientieren sich diese Unternehmen dann häufig am Langfristziel der Europäischen Zentralbank für die Inflation in der Eurozone: „Below but close to 2 percent“.
Niedrigzins zusammen mit Niedriginflation Nun geht die momentane Niedrigzinsphase mit einer Niedriginflationsphase einher. Schon seit Monaten liegt die Inflation in Deutschland deutlich unterhalb des Zielwerts, ist Anfang des Jahres sogar kurzfristig negativ gewesen. Und auch für die Zukunft rechnen Experten weiterhin mit deutlich reduzierten Inflationsraten. Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung des VPI in den zurückliegenden 36 Monaten und unsere Erwartung für die Zukunft1.
(1Abgeleitet aus Veröffentlichungen der EZB und eigenen Berechnungen.)
Untersuchungen von Longial haben gezeigt, dass in diesem Umfeld ein Rententrend von jährlich 2,0 Prozent nicht mehr angemessen sein dürfte. Der richtige Trend hängt von den Verhältnissen des bewerteten Bestandes ab, sollte aber in vielen Fällen in einer Größenordnung von 1,50 bis 1,75 Prozent liegen.
Entschließen sich Unternehmen nach Abstimmung mit Aktuar und Wirtschaftsprüfer zur Reduzierung des Rententrends, kann zumindest einmalig in 2015 ein Teil der Zusatzbelastungen aus der Zinsschmelze ausglichen werden. So rechnet beispielsweise das in der Rubrik „Praxis“ vorgestellte Unternehmen in 2015 mit einem Zinsänderungseffekt von rund 1,6 Mio. Euro. Durch Absenken des Rententrends von 2,00 auf 1,75 Prozent kann dieser Effekt zumindest um 400 Tsd. Euro reduziert werden.
Fazit:
Die derzeitige Marktlage erlaubt in vielen Fällen eine Reduzierung des Rententrends in der Bewertung der Pensionsverpflichtungen. Dadurch können Zusatzbelastungen aus der Zinsschmelze in 2015 teilweise ausgeglichen werden.
Dr. Marcus Reich, Aktuar DAV | Sachverständiger IVS im Aktuariat, Longial Aus verschiedenen Motiven möchten Versorgungsberechtigte über die in ihrer Pensionszusage vorgesehene Altersgrenze hinaus weiter arbeiten. Häufig enthalten die Pensionszusagen hierfür eine Regelung, nach der die Altersleistung nur nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen bezogen werden kann. Fehlt eine solche Regelung bei einem Arbeitnehmer, so kann er zusätzlich zum Gehalt seine Altersrente beziehen. Für Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) legt die Rechtsprechung die Hürde für einen gleichzeitigen Bezug von Rente und Aktivgehalt jedoch hoch.
BFH-Urteil zur Weiterbeschäftigung eines GGF Der Bundesfinanzhof hält eine Weiterbeschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführers nach dem Pensionsalter für zulässig. Er akzeptiert auch eine Regelung, nach der die Altersversorgung nicht von dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis abhängig gemacht wird (BFH-Urteil vom 05.03.2008, I R 12/07) . In diesem Fall würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nach Ansicht des BFH allerdings verlangen, dass das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung angerechnet wird. Werden Pension und Gehalt stattdessen nebeneinander gezahlt, folgt daraus eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Wie das Bundesarbeitsgericht erkennt auch der BFH den Entgeltcharakter der Versorgungsleistungen an, sie sollen aber den Versorgungsbedarf decken, also erst beim Wegfall der Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis einsetzen. Uneingeschränkte Pensionszahlungen einerseits und Geschäftsführergehälter andererseits schlössen sich so aus. Problematisch dabei ist also nicht die erdiente Altersversorgung, sondern die (zumindest im Pensionsvertrag nicht vorgesehene) entgeltliche Weiterbeschäftigung.
Weil dem oben zitierten BFH-Urteil eine Vollzeitbeschäftigung nach dem Pensionsalter zugrunde lag, stellt sich die Frage, wie mit einer reduzierten (gegebenenfalls sogar geringfügigen) Tätigkeit oder einem Beratervertrag umzugehen ist.
FG Köln-Urteil zur Teilzeittätigkeit Auf Grundlage dieser BFH-Rechtsprechung hatte das Finanzgericht Köln (Urteil vom 26.03.2015, 10 K 1949/12) über einen Fall zu entschieden, bei dem neben der vollen Pensionszusage ein deutlich reduziertes Aktivgehalt gezahlt wurde.
Nach Ansicht des Gerichts lässt sich eine Teilzeittätigkeit mit dem Aufgabenbild eines GmbH-Geschäftsführers nur schwer vereinbaren. Daran ändert auch die Tätigkeitsverringerung nichts (BFH-Urteil vom 23.10.2013, I R 60/12). Der Geschäftsführer sei schließlich auch nicht gehindert, während des Rentenbezuges zu arbeiten – er muss jedoch gegebenenfalls die Nachteile der verdeckten Gewinnausschüttung in Kauf nehmen. Gegen die Entscheidung des FG Köln wurde Revision eingelegt (BFH, I R 32/15).
Fazit:
Bei der Weiterarbeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers nach Erreichen des vertraglichen Pensionsalters führt ein Bezug von Altersrente und zusätzlichem Aktivgehalt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitsleistung und das Gehalt deutlich reduziert werden.
Gordon Teckentrup, LL.M., Rechtsanwalt im Bereich Recht | Steuern, Longial Wer als Arbeitgeber eine Unterstützungskasse mit der Durchführung seiner betrieblichen Altersversorgung beauftragt und diese finanziert, dürfte damit rechnen, dass er später sein Geld zurückbekommt, wenn es von der Kasse nicht (mehr) benötigt wird. Handelt es sich bei der betreffenden Kasse um eine Gruppen-Unterstützungskasse – die zudem auch noch steuerbefreit ist – ist das jedoch ein Trugschluss. Befürchtet hat man dies immer schon. Nun hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil am 26.11.2014 (I R 37/13) Nägel mit Köpfen gemacht.
Finger weg vom zweckgebundenen Vermögen Dass man von einer steuerbefreiten Unterstützungskasse Mittel zurückerhält, ist nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Das Körperschaftsteuergesetz (KStG) gestattet das nur sogenannten überdotierten Kassen. Als Überdotierung gilt ein Zustand, bei dem die Kasse weit mehr Vermögen hat, als dies – zumindest nach steuerlichen Maßstäben – erforderlich ist. Anderenfalls unterliegen die in der Kasse vorhandenen Mittel der sogenannten steuerlichen Zweckbindung und sind für den Arbeitgeber tabu.
Auf die Kasse kommt es an Verwaltet eine Unterstützungskasse allein die betriebliche Altersversorgung eines einzelnen Arbeitgebers, führen diese steuerlichen Bestimmungen in der Regel zu keinem Konflikt. Entfallen dort nämlich die Verpflichtungen des Arbeitgebers (teilweise), kommt man rasch in den Zustand der Überdotierung, und eine anteilige Mittelauskehr ist möglich. Bei Konzern-Unterstützungskassen liegt die Sache schon anders. Aber dort werden die beteiligten Konzern-Gesellschaften im Zweifel Lösungen in Form von bilateralen Verrechnungen finden. Kompliziert wird es aber bei einer Gruppen-Unterstützungskasse, welche die betriebliche Altersversorgung einander völlig fremder Arbeitgeber durchführt. Dort werden sich Bestandsänderungen bei einem einzelnen Arbeitgeber kaum auf die Gesamt-Vermögens- und Verpflichtungs-Verhältnisse der Kasse auswirken. Folglich würde ein Arbeitgeber im Zweifel sein (Rest-)Vermögen von der Kasse nie wiedersehen – selbst wenn sein eigener Verpflichtungsbestand auf null heruntergefahren würde.
Versuch macht klug Nach dem Motto „Das darf doch nicht wahr sein", haben daher offenbar einige Gruppen-Unterstützungskassen in der Praxis bislang das KStG individuell ausgelegt. Rückübertragungen wurden auch dann vorgenommen, wenn die Kasse selbst nicht überdotiert war, bezogen auf den Teilbestand eines Arbeitgebers jedoch eine Überdotierung vorlag. Dieser Praxis hat der BFH nun eine Absage erteilt. In bestechender Schlichtheit führt er in seinem Urteil aus, dass Gesetz nun mal Gesetz ist und dass man sich daran halten müsse. Auch wenn dies letztendlich zu schwer verdaulichen Ergebnissen führen würde, müsse man ja unterstellen, dass die Arbeitgeber wissen, auf was sie sich einlassen, wenn sie eine steuerbefreite Gruppen-Unterstützungskasse zur Durchführung ihrer betrieblichen Altersversorgung wählen.
Fazit:
Die Entscheidung des BFH war – was ihren Grundtenor betrifft – letztlich so erwartet worden. Dennoch ist sie eine Enttäuschung. Dass man Gesetze einzuhalten hat, ist schließlich eine Selbstverständlichkeit. Dies entbindet die Beteiligten aber nicht davon, sich Gedanken darüber zu machen, wo die gesetzliche Regelung über das Ziel hinausschießt. Wer Rückübertragungen unter den Generalverdacht stellt, damit das Gebot der steuerlichen Zweckbindung untergraben zu wollen, macht sich die Sache einfach. Insofern hätte man die Hoffnung haben können, dass der BFH in seiner Entscheidungsbegründung zumindest andeutet, dass bei bestimmten Konstellationen (Betriebsübergang nach § 613 a BGB, Wechsel des Durchführungsweges, Insolvenz, usw.) die gesetzliche Regelung zu stark einengt. Dies ist nicht geschehen. In der Vergangenheit hat die Finanzverwaltung gleichwohl im Rahmen der Erteilung von verbindlichen Auskünften durchaus gelegentlich ihre Zustimmung zu einer vom Gesetz abweichenden Vorgehensweise gegeben. Dies geschah insbesondere dann, wenn anderenfalls ein Konflikt zu anderen Rechtsnormen aufgetreten wäre (vgl. hierzu das Urteil des LAG München zum zivilrechtlichen Herausgabeanspruch, Urteil vom 10.05.2006, 9 Sa 999/05). Es bleibt abzuwarten, wie sich das aktuelle Urteil des BFH auf derartige Einzelanfragen künftig auswirken wird.
Michael Gerhard, Aktuar (DAV) im Bereich Recht | Steuern, Longial |