STANDPUNKT
Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) – und jetzt?
Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial GmbH, zu den Vorteilen und Chancen des BRSG:
Die öffentliche Diskussion zum BRSG dreht sich im Wesentlichen um das Sozialpartnermodell und die damit verbundenen Chancen und Risiken.
Die Vorteile, die das BRSG für jeden Arbeitnehmer mit sich bringt, gehen dabei fast unter.
Die bAV gilt als komplex und kompliziert. Weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber kennen die Möglichkeiten der bAV. Arbeitgeber bieten sie daher nicht an und Arbeitnehmer fragen sie nicht nach. Leider werden diese Pauschalaussagen von einer Studie bestätigt, die das Bundesfinanzministerium im Vorfeld der Überlegungen zum BRSG bei Prof. Dirk Kiesewetter von der Uni Würzburg in Auftrag gegeben hat.
Dabei hat das BRSG das Potential und die Hebel für positive Botschaften rund um die bAV. Zahlreiche Förderungen werden ausgebaut und verbessert und einige neue Fördermöglichkeiten geschaffen – sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer.
Das Sozialpartnermodell: hoher Erklärungsbedarf
Das Sozialpartnermodell (SPM) ist das Kernstück der Reform – die Stichworte „reine Beitragszusage“, „keine Garantie“, „Zielrente“, „tarifgebunden“ etc. bestimmen die Diskussion so sehr, dass alle anderen Aspekte des Gesetzes daneben beinahe untergehen. Doch was verbirgt sich hinter dem SPM?
Es muss von den Tarifpartnern eingerichtet werden. Aber auch nicht tarifgebundene Unternehmen können die Lösung ihrer Branche in ihrem Unternehmen anbieten (§ 21 Abs.3 Betriebsrentengesetz). Zugelassen sind die Durchführungswege Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherung. Hier hat der Arbeitnehmer bei Rentenbeginn einen Anspruch direkt gegen den Versorgungsträger. Der Arbeitgeber steht nur für die gezahlten Beiträge in der Pflicht, ohne weitere Garantien für die Verzinsung oder die Höhe der späteren Rente eingehen zu müssen. Dabei kann die Rente während des Rentenbezugs steigen, aber auch sinken.
Ja, die Welt der bAV wird mit dem SPM nicht einfacher, aber bunter und flexibler. Es bieten sich neue Möglichkeiten – gerade für diejenigen, die an die Chancen glauben, die der Kapitalmarkt für langfristige Kapitalanlagen bietet.
Und wie sieht das Angebot der SPM aus? Stand heute gibt es noch nicht ein Modell – und es ist nicht absehbar, dass sich die verschiedenen Tarifparteien noch in 2018 auf ein SPM verständigen werden.
Die alte bAV-Welt: neue Förderung für bekannte Lösungen
Aber müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Tarifparteien warten? Nein, denn das BRSG bringt eine Vielzahl an neuen oder verbesserten Förderungen mit sich, die in der alten, bekannten bAV-Welt sofort genutzt werden können! Sie müssen allerdings bekannt gemacht und kommuniziert werden.
Die wichtigsten Vorteile für Arbeitnehmer:
- Eine bAV-Leistung von bis zu 208 Euro (2018) monatlich, reduziert nicht die Grundsicherung im Alter.
- Die Grundzulage der Riester-Förderung steigt um über 13 Prozent auf 175 Euro jährlich.
- Riester-bAV-Leistungen sind in der Kranken- und Pflegeversicherung für Rentner nicht mehr beitragspflichtig.
- Die Möglichkeit, steuerfrei Entgeltumwandlung zu betreiben, steigt von monatlich 254 Euro in 2017 auf monatlich 520 Euro in 2018.
- Jede Entgeltumwandlung wird ab 2022 vom Arbeitgeber mit 15 Prozent bezuschusst, soweit eine Ersparnis bei den Sozialversicherungsbeiträgen mit der bAV erzielt wird.
Die Arbeitgeber profitieren ebenfalls von staatlichen Förderungen:
- 30 Prozent Zuschuss vom Staat, wenn Mitarbeiter mit einem monatlichen Einkommen von max. 2.200 Euro brutto, mit mind. 240 Euro, max. 480 Euro jährlich für die bAV unterstützt werden.
Tue Gutes und sprich darüber!
Mit dem BRSG wird die bAV noch attraktiver. Genau das gilt es zu verbreiten. Wie schon erwähnt, fühlen sich weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer zur bAV gut informiert. Geschweige denn zum BRSG. Hier sind alle Beteiligten gefordert, das zu ändern – auch die Bundesregierung. Schon Prof. Kiesewetter hat in seiner Studie festgestellt: „Insbesondere eine gezielte Aufklärung zum Thema bAV wäre von höchster Bedeutung, die durch unabhängige Institutionen durchzuführen wäre.“
Auch die bAV-Fachwelt kann ihren Beitrag leisten. Attraktive Konzepte, verständlich formuliert, anschaulich aufbereitet und überzeugend präsentiert, die die Vorteile der alten bAV-Welt kombiniert mit den neuen Möglichkeiten des BRSG vermitteln, werden dringend benötigt.
Aber auch die Arbeitgeber sollten die Chance nutzen, die bAV in ihrem Unternehmen bekannt zu machen – Stichwort Fachkräftemangel. „Finanzielle Sicherheit im Alter wird als besonders wichtig erachtet – die betriebliche Altersvorsorge ist und bleibt die am weitesten verbreitete Zusatzleistung.“ Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Anreiz- und Vergütungssysteme in der Metall- und Elektroindustrie“ des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft – ifaa aus August 2017.
Die heutigen Arbeitnehmer und späteren Rentner werden es den Beteiligten danken. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber ganz sicher, wenn die erste betriebliche Zusatzrente ausgezahlt wird.