STANDPUNKT

TEIL 1: Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf Pensionsrückstellungen deutscher Unternehmen aus?

Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial GmbH, zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie:

Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland und weiten Teilen Europas trifft die Wirtschaft plötzlich und mit schwer vorhersehbaren Folgen.

Mögliche Auswirkungen gibt es auch auf die Pensionsrückstellungen deutscher Unternehmen – hier ein erster Überblick:

Seit dem 10. März ist ein dramatischer Anstieg der Renditesätze zu verzeichnen, bis zum 25. März hat sich das Renditeniveau um rund 1 Prozent erhöht und damit mehr als verdreifacht. Unmittelbare Auswirkungen ergeben sich für Unternehmen mit einer Bilanzierung nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) und der Bewertung zum stichtagsaktuellen Niveau. Die maßgeblichen Zinssätze werden zum 31.März 2020 voraussichtlich deutlich steigen. Höhere Zinssätze führen zu niedrigeren Verpflichtungswerten und sorgen so für eine Entlastung der Bilanzen. Die Effekte werden dabei als sogenannte versicherungsmathematische Gewinne direkt im Eigenkapital erfasst.

Im Abschluss nach HGB werden die Auswirkungen durch die Glättung über zehn Jahre nicht unmittelbar zu spüren sein. Aber auch hier könnte sich der bisherige Abwärtstrend im Rechnungszins über die kommenden Monate verlangsamen. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht seriös vorhersagen, wie stark dies der fall sein wird, und hängt maßgeblich vom Verlauf der Pandemie, der dadurch ausgelösten Rezession der Wirtschaft sowie der Auswirkung auf das Zinsniveau ab. Erste Musterberechnungen zeigen, dass der zehnjährige Durchschnittszins zum 31.Dezember 2020 um 5 bis 10 Basispunkte höher ausfallen könnte als bislang angenommen – bisherige Schätzungen der Longial liegen bei 2,29 Prozent. Für den aufwandswirksamen Zinsänderungseffekt könnte dieser Anstieg zu einer deutlichen Entlastung um bis zu 25 Prozent im Geschäftsjahr 2020 führen. Das bedeutet bei einer Rückstellung von aktuell 500.000 Euro eine Entlastung in der GuV um bis zu 10.000 Euro.

Nach unserer Einschätzung handelt es sich beim Anstieg des Renditeniveaus zunächst um einen kurz- bis mittelfristigen Effekt: Die Märkte preisen in der aktuellen Marktsituation ein erhöhtes Ausfallrisiko für Unternehmensanleihen ein. Mittelfristig könnten Anleihen mit besonders starken Risikozuschlägen sogar ihr erstklassiges Rating verlieren. Dann wären sie nicht mehr für die Ableitung der Rechnungszinssätze für Pensionsverpflichtungen relevant. Noch ist nicht abschätzbar, was dies für den Rechnungszins bedeutet. Langfristig sehen wir den Trend zu fallenden Zinsen sogar eher noch verstärkt: Die großen Notenbanken haben durch Maßnahmen in den letzten Tagen die Leitzinsen gesenkt (FED) bzw. die Liquidität deutlich ausgeweitet (EZB) und damit das Zinsniveau langfristig weiter abgesenkt. Nicht auszuschließen, dass die Renditen für Unternehmensanleihen wieder deutlich fallen, sobald die Panik aus den Märkten verschwindet.

Die aktuelle Marktlage wirkt sich auch auf die Vermögen zur Finanzierung der Pensionsverpflichtungen aus. Deckungs- bzw. Planvermögen (z.B. Aktien oder Fonds im Rahmen eines CTAs) wird in der Bilanz zum Zeitwert berücksichtigt. Somit dürften die Marktverwerfungen der vergangenen Tage zu einem deutlichen Rückgang des Vermögens geführt haben. Der Wert von Rückdeckungsversicherungen bleibt hingegen unverändert.

Vom Wertverfall an den Finanzmärkten werden im Übrigen auch Pensionsverpflichtungen betroffen sein, die auf einen kapitalmarktförmigen Pensionsfonds ausgelagert wurden. Auch wenn solche mittelbaren Verpflichtungen nicht bilanziert, sondern im Bilanzanhang ausgewiesen werden, könnte das Fondsvermögen die aufsichtsrechtlichen Grenzen unterschreiten. In diesem Fall wird ein Nachschuss durch den Arbeitgeber erforderlich.

Anfang April werden wir wie gewohnt unsere Einschätzung zu den Zinssätzen in der Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach HGB und IFRS auf dem Stand der Marktdaten zum Ende des Monats veröffentlichen. Wir halten Sie darüber auf dem Laufenden.